Interview mit Frau Z. (*1926)
In Hamburg-Eppendorf lebte Frau Z. mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester. Ihre Mutter war Halb-Jüdin, da ihr Vater, also der Großvater von Frau Z., Jude war. Somit war Frau Z. Mischling 2. Grades (wie es von den Nazis genannt wurde).
Ihr Vater war vor dem Krieg Kaffee-Kaufmann. Er verdiente zunächst nicht schlecht, Anfang der 20er Jahre hatte er sogar ein eigenes Schiff, um den frischen Kaffee aus den Afrikanischen Ländern zu transportieren. Doch als Hitler 1933 an die Macht kam, wurde seine Firma verstaatlicht und das Schiff wurde ihm weggenommen.
Als er seine Firma nicht mehr besaß, hatte die Familie nicht mehr viel Geld. Der Vater bewarb sich nun als Dolmetscher in Frankreich, weil er Englisch, Französisch und Dänisch fließend sprechen konnte. Da seine Frau jedoch Halbjüdin war, schützte nur die Ehe mit ihm sie vor dem KZ. Der Staat legte ihm nahe, sich von seiner Frau zu trennen. Dann könne er auch Dolmetscher in Frankreich werden. Er tat dies jedoch nicht und somit wurde seine wirtschaftliche Situation immer schlechter. 1936 hatte die Familie dann kein Geld mehr für ihre Wohnung und wurde von einem Arzt und dessen Frau aufgenommen. Sie wohnten im Obergeschoss des Hauses für 10 Mark im Monat.
Der Vater war dann später im Krieg in Dänemark bei der Spionage Abwehr. Er fühlte sich dazu verpflichtet, sein Vaterland zu verteidigen, auch wenn seine Frau Halbjüdin war.
Eigene Erlebnisse:
Als Frau Z. 4 Jahre alt war, sang sie eines Tages auf der Toilette einen Hass-Gesang gegen die Juden. (“Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht’s noch mal so gut”). Dieses Lied hatte sie damals auf der Straße gehört und sich gemerkt. Als sie dieses Lied sang, hörte dies ihre Nachbarn, die auch halbjüdisch waren. Die Nachbarin lief zu der Mutter von Frau Z. und erzählte ihr was sie gehört hatte. Daraufhin ging die Mutter zu ihrer Tochter und erklärte ihr, dass dies ein ganz blödes Lied sei. Also sang Frau Z. dieses Lied nie wieder. Schon 1930 gab es judenfeindliche Bewegungen, denn Lieder wie diese wurden laut auf de Straße gesungen. Außerdem wusste Frau Z. zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie selbst jüdisch war.
Vor dem Krieg haben die Kinder aus der Straße alle zusammen auf der Straße gespielt. Das war kein Problem, da es nicht viele Autos gab.
An einem Tag im Jahr 1932 lud Frau Z. 9 Kinder ihrer Straße zu ihrem Geburtstag ein. Dies wusste ihre Mutter jedoch nicht und hatte deshalb schon für den Nachmittag die Familie eingeladen. Also sagte die Mutter zu Frau Z., dass sie die Kinder doch wieder ausladen müsse und dann ein anderes Mal feiern könne.
Frau Z. ging also zu den Kindern und sagte ihnen, dass sie jetzt doch nicht kommen dürften. An ihrem Geburtstag ging Frau Z. dann noch mal auf die Straße und traf die Mutter der einen Freundin. Diese meinte zu ihr, dass es ja gar nicht nett sei, dass sie ihre Tochter nicht mitfeiern lassen wolle, nur weil sie jüdischer Abstammung sei. Ihre Tochter sei sehr unglücklich und die Familie hätte auch schon ein tolles Geschenk gekauft, was sie aber jetzt nicht bekommen würde. Frau Z. lief traurig zu ihrer Mutter und erzählte ihr dies. Darauf ging die Mutter von Frau Z. zu der Mutter der Freundin und erzählte ihr, dass alles ein großes Missverständnis sei. Die Tochter durfte doch noch mitfeiern und Frau Z. bekam ihr Geschenk.
1933 wurde Frau Z. dann in die 1. Klasse eingeschult.
Ihr Klassenlehrer, er war Nazi, bereitete sie darauf vor, dass “der Führer” bald in die Stadt kommen würde, und wie sie sich dann bei dem Auftritt verhalten sollten. Er spielte dies mit seinen Schülern im Unterricht durch. Der Lehrer spielte Hitler. Die Kinder fanden dies gar nicht so schlecht. als sie dann jedoch an der Straße standen, wurde es für die Schüler sehr langweilig, weil sie 2 Stunden auf Hitler warten mussten, um dann einmal “Heil Hitler” zu schreien. Sie waren alle froh, als sie wieder nach Hause durften.
In der Schule hatte Frau Z. Probleme, da sie Linkshänderin war, aber nicht mit links schreiben durfte. Sie konnte mit rechts nur langsam und mit vielen Rechtschreibfehlern schreiben.
Ihre Schwester war auch in der Schule. Damals wurde in der Schule immer eine Klassenführerin gewählt. Das war meistens die Klassenkälteste. In der Klasse von der Schwester von Frau Z. wurde diese dazu gewählt, weil sie die Älteste war. An dem Nachmittag kam die Schulleitung dann zu den Eltern von Frau Z. und legte ihnen Nahe, dass Frau Z.’s Schwester diese Wahl nicht annehmen solle, da es nicht es nicht gestattet würde, wenn ein Mischling 2. Grades Klassenführerin wäre. Am nächsten Tag nahm die Schwester die Wahl also nicht an.
Die Schule ging auch während des Krieges weiter. Jeden Montag traf sich die ganze Schule auf dem Hof und es wurde die Nationalhymne gespielt, zu der alle Schüler mit sangen. Während die Nationalhymne gespielt wurde, wurde die Fahne gehisst. Dann mussten alle Klassen antreten und durften danach mit ihren Lehren in die Klasse gehen.
Frau Z. musste auch im Krieg in den Bund deutscher Mädchen eintreten. Dort machten sie allerdings nicht viel, weil sie ja erst im Krieg eingetreten ist. Sie trafen sich bei der Führerin zu Hause, die auch in der Straße von Frau Z. lebte, und lasen Theodor Storm, mussten manchmal bei Aufmärschen mit auflaufen, aber sonst machten sie eigentlich nichts. Die Aufmärsche fanden die Mädchen allerdings immer “doof”. Aber die Kleidung, die der BDMler an hatten, fand sie schick.
Dass Frau Z. Mischling 2. Grades war, war beim BDM kein Problem. Sie durfte nur nicht Anführerin werden, was sie aber auch gar nicht wollte.
Die Leute gingen während des Krieges oft ins Kino, um sich abzulenken. Dort wurde immer alles wunderschön dargestellt.
Vor dem Film gab es immer die Wochenschau. Die Leute versuchten, immer erst nach der Wochenschau zu kommen. Der Kino Eintritt hat nur 30 Pfennig gekostet.
Während des Krieges haben alle Freunde der Familie zu der Mutter von Frau Z. gehalten, obwohl sie Halbjüdin war. Sie unterstützten sie mit Essen, da es im Krieg knapp war. Jedoch waren nicht alle so nett zu den Halbjuden. Frau Z. hatte 4 Freundinnen, die eigentlich alles zusammen machten.
Einmal jedoch lud die eine der Freundin zum Kaffee-Kränzchen ein. Aber sie lud Frau Z. nicht ein, weil es die Mutter verboten hatte. Da ihre Tochter keinen Kontakt zu Halbjuden haben sollte. Da war Frau Z. sehr traurig und weinte. Ihre Mutter tröstete sie.
Frau Z. und ihre Freundin schrieben, als sie 12 waren, immer Briefe an einen Soldaten, der Offizier war. Sie waren beide in ihn verliebt und schrieben die Briefe so, dass sie immer abwechselnd einen Satz schrieben. Der Mann war aber leider frisch verheiratet und hatte ein kleines Kind. Er schrieb den Mädchen aber immer zurück. Eines Tages schrieb er, dass er einen jungen Soldaten kenne, der sich sehr über ihre Briefe freuen würde. Sie schrieben ihm. Die Briefe waren immer sehr höflich. Aber der Soldat fiel kurz nachdem sie ihm geschrieben hatten.
Eines Tages wurde der Nachbar von Familie Z. nachts von der SS abgeholt. Er kam aber nach 3 Wochen wieder, jedoch als völlig veränderter Mensch. Er war sehr schüchtern, lief nur noch an die Wände gedrückt an den anderen Menschen vorbei. Die Kinder grüßten ihn trotzdem, denn sie waren gut erzogen.
Wenn Hamburg im Krieg bombardiert wurde, waren alle Bewohner des Hauses immer im Keller. Dort spielten sie Karten, um sich die Zeit zu vertreiben. Die Kinder fanden dies gar nicht so schlecht, weil sie dann am nächsten Tag erst später zur Schule mussten.
Frau Z. und ihre Schwester haben gar nicht mitbekommen, wie schlimm der Krieg war. Sie haben auch vor dem Krieg nicht realisiert, dass die NSDAP immer mehr Macht erlangt hatte.
Ihre Eltern haben ihr und ihrer Schwester erzählt, dass Hitler an die Macht gekommen war: Sie hatten dies im Radio gehört und sagten ihren Kindern aber, dass das nicht so schlimm sei. Frau Z. hörte auch manchmal Radio und kannte daher die Stimme von Hitler. Sie fand seine Stimme schrecklich. Sie fand Hitler nie gut und hat sich immer gewünscht, dass es ihn nicht mehr gibt.
Vage Erinnerungen meiner Großmutter an die tragische Versenkung der Cap Arcona kurz vor Kriegsende 1945 – mehr als 6000 Tote, die aus dem KZ Neuengamme auf dem Schiff gefangen gehalten wurden, konnten dem Schicksal einer Bombardierung durch die Alliierten nicht entgehen
Dünger und Kohle kamen per Schiff. Harte Arbeit mit Spaten und Schubkarre anstelle von Maschinen prägte das Leben auf dem Land. Krämerläden ergänzten die Eigenproduktion und Schlachter sowie Bäcker kamen an die Tür.
Die drei Kinder waren größtenteils sich selbst überlassen, da ihre Mutter tagsüber auf den Feldern arbeiten musste. Meine Oma hat daran aber keine traurigen Erinnerungen, ganz im Gegenteil …
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