Würden Sie sich zu Beginn dieses Interviews einmal kurz vorstellen?
Mein Name ist Monika Pape, geborene Laupitz. Ich bin am 6. Juni 1940 in Pesterwitz geboren, dort habe ich auch bis zu meinem 17. Lebensjahr gelebt. Nach meiner Flucht habe ich in der Nähe von Hannover gewohnt, bis ich 2005 nach Reinbek gezogen bin. Ich habe drei ältere Brüder und drei erwachsene Kinder.
Wo und wie sind Sie damals in der DDR aufgewachsen?
Ich bin damals bis zu meinem 14. Lebensjahr in Pesterwitz bei Dresden aufgewachsen. Bis zur Scheidung meiner Eltern – da war ich fünf Jahre alt – habe ich mit beiden Elternteilen zusammengelebt, danach allein bei meinem Vater. Nach der Einschulung musste ich von 1946 bis 1948 in ein Kinderheim umziehen. Doch als dort wegen der zunehmenden Zahl der Kriegswaisenkinder kein Platz mehr war, musste ich zurück zu meinem Vater. Mit 17 Jahren gelang mir dann zum Glück die Flucht in den Westen.
Viele Kriegswaisen wanderten damals in ein Kinderheim. Wieso?
Mein Vater war aktiv in der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) und hat die Regierung der DDR sehr unterstützt. Ich habe mich von ihm abgewandt, weil ich gegen das Regime der DDR war. Als er dies mitbekommen hatte, hat er mich gedrillt und geschlagen. Schlussendlich hat er mich gegen meinen Willen in ein Heim gesteckt, weil er mich nicht mehr zu Hause haben wollte. Zu meiner Mutter hatte ich keinen Kontakt mehr, weil sie in einer Lungenanstalt aufgrund ihrer Krebserkrankung war, deshalb hatte ich keine Alternative zum Heim. Da ich immer große Angst vor meinem Vater hatte, war ich dennoch bei den Jungpionieren und später bei der FDJ (Freie Deutsche Jugend).
Damals waren Sie Mitglied der Jungpioniere und später waren Sie in der FDJ aktiv, obwohl Sie das Regime nicht unterstützt haben. Warum?
Wie schon gesagt, hat vor allem mein Vater, aber auch sozusagen die gesamte Gesellschaft mich gezwungen dort teilzunehmen. Sonst wurde man ausgegrenzt und benachteiligt. Doch gern war ich da nicht. Von dem dritten Schuljahr an mussten wir an jedem Tag, egal was wir machten, die Pionierkleidung tragen. Aus Zwang! Wir bekamen am Nationalfeiertag, dem 1. Mai, schulfrei, mussten aber alle zusammen als Pioniere mit Fahne in FDJ-Kleidung vor der DDR-Ehrenbühne des Regimes in Berlin, wo Honecker und Ulbricht saßen, vorbeimarschieren. Dafür haben wir sogar vier Mark bekommen. Damals habe ich nicht gewusst, was ich tue. Ich habe erst im Nachhinein realisiert, was das für ein Druck war, daran teilzunehmen.
Wie haben Sie ihre Kindheit und Schulzeit erlebt?
Durch die Kriegseinflüsse und durch die politische Erziehung in der DDR fand ich meine Kindheit und Jugend nicht schön. Als Kind musste ich viel und schwer körperlich arbeiten, zum Beispiel Wasser tragen und Gartenarbeit bei meinem Vater leisten. Später, während der Schulzeit, musste ich auf dem Feld arbeiten. Der Alltag in der Schule lief eigentlich immer gleich ab, mit festen Zeiten fürs Essen, viel Drill, Fahnenappell, wenig Freizeit und gemeinsamen staatlich verordneten Aktivitäten wie Sport, wie in meinem Fall das Schießen. Auch war die politische Weiterbildung ein zentraler Punkt in unserem Alltag. Es war Pflicht, eine GST-Ausbildung (Gesellschaft für Sport und Technik) zu absolvieren. Am wichtigsten war es aber, dass die DDR immer in einem guten Licht dargestellt wurde und es keine Kritik an dem System gab.
Sie sind mit 17 Jahren alleine aus der DDR in den Westen geflohen. Was hat Sie bewegt, ihre Heimat und alles, was sie besaßen, zurückzulassen?
Die beiden entscheidenden Punkte waren erstens die politische Lage damals, in der ich einfach nicht mehr leben konnte. Ich durfte nicht der Kirche angehören und musste somit meinen Glauben verstecken. Es herrschte keine Meinungsfreiheit, keine freie Berufswahl und ich hatte immer Angst vor der Kontrolle des Staates. Zusätzlich dazu kam dann noch der Druck und Drill von meinem eigenen Vater. Er hat mich körperlich gezüchtigt, geschlagen und misshandelt. Auch seine ständig wechselnden Lebenspartnerinnen waren nicht leicht für mich. Dies alles hat mich schlussendlich dazu getrieben zu fliehen, obwohl ich wusste, dass ich sterben konnte. Ich floh aus Angst!
Die Grenzen zwischen dem Osten, der DDR, und dem Westen, der BRD, waren schon damals (1957) sehr streng bewacht. Wie haben Sie es dennoch geschafft zu fliehen? [1]
Ich bin als Erstes von Dresden mit dem Zug nach Ost-Berlin gefahren. Die S-Bahn in Berlin fuhr vom Osten durch den Westen, um wieder in den Osten zu kommen. Im Westteil wurde der Zug zugeschlossen, damit niemand aussteigen konnte. Die Polizisten, die die Zugtüren zuschlossen und kontrollierten, beachteten mich nicht, da ich FDJ-Kleidung anhatte. Ich versteckte mich dennoch unter einer Sitzbank, um nicht gesehen zu werden. Der Zug lief unterirdisch weiter und ich sprang im letzten Moment in der letzten Station des Westsektors aus dem Zug, nachdem der Zug wieder geöffnet wurde, und rannte so schnell ich konnte zu Fuß zur Adresse meines Großvaters, die ich vorher per Post ermittelt hatte. Ich entledigte mich schnell meiner FDJ-Kleidung auf einer öffentlichen Toilette, um nicht erkannt zu werden. Wenn ich erwischt worden wäre, hätte man auf mich schießen dürfen. Doch selbst dies nahm ich für meine Freiheit in Kauf. Als ich dann im Westen angekommen war, durfte ich nicht sofort zu meiner Freundin ziehen, zu der ich Kontakt hatte. Es musste zunächst die Vormundschaft geklärt werden, da ich erst 17 Jahre alt war. Mein Großvater bekam nicht automatisch die Vormundschaft, da ich letztendlich weiter zu meiner „älteren“ Freundin nach Hannover wollte, die dann schließlich auch die Vormundschaft bekam. Ich verbrachte daher drei bis vier Tage in einem Flüchtlingsheim. Ich hatte nichts in den Westen mitgenommen und war deshalb auf Kleiderspenden etc. angewiesen.
[1] Die 155 Kilometer lange, 1952 errichtete Grenze um West-Berlin verhinderte das Überqueren der Grenze zwischen den beiden Stadtteilen und der DDR. Anfangs wurde dies durch Zäune und Bewachung gesichert. Später folgten breitere Sperrzonen und Schutzstreifen. Schlussendlich endeten die Sicherungsmaßnahmen in der 1961 errichteten Berliner Mauer.
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