Aus den Erinnerungen von Walter Stachow, geb. 1897
Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, dass nach dem Kriege ein Ausverkauf an deutschen Waren durch das Ausland stattfand. Der Kurs der Mark sackte bis ins Grenzenlose im Laufe der folgenden Jahre ab. Der Gegenwert einer Goldmark erreichte 1923 seinen tiefsten Stand, und zwar mit 1 Billion Papiermark im Oktober. Schon Monate vorher fiel der Wert der Mark täglich um Tausende, Millionen und Milliarden. Diejenigen, die Sparguthaben auf den Banken hatten, waren mit einem Schlag bettelarm geworden. Im Herbst endlich wurde die Mark stabilisiert, es wurde die wertbeständige Renten-Mark geschaffen. Die Wirtschaft konnte wieder aufatmen. Die unhaltbaren Zustände wurden durch die Schaffung der Renten-Mark gemeistert. Eine Verbuchung aber der Milliarden und Billionenzahlen in den Geschäftsbüchern war wegen Raummangels nicht mehr möglich. Wechselstempelmarken konnten z.B. nicht in dem Umfang vom Staat in hohen Werten gedruckt werden. Man war, bis die Barzahlung der Wechselstempel eingeführt war, gezwungen, kleine Wechselstempelmarken zur Versteuerung der Wechsel auf das Ausland zu verwenden. So erinnere ich, dass ich einen Wechsel ausfertigen ließ, dessen Papier 12 Meter lang gemacht werden musste, um die vorgeschriebenen Wechselstempelmarken draufkleben zu können!
Ein weiteres Kuriosum war eine Geldsammlung für die Bergedorfer Rentner, deren Vorsitzender mein Vater war. Die Sammler brachten am Abend zwei bis an den Rand gefüllte Zentnersäcke mit Papiergeld ins Haus. Es war meinem Vater und den Helfern gänzlich unmöglich, die Geldscheine zu zählen. Ein kurzer Überblick genügte, um festzustellen, dass der Wert dieses Haufens von Geldscheinen bereits am anderen Tage nichts mehr wert war. Die beiden Säcke wurden dann später von einem Altpapierhändler für 20 Pfg. abgeholt.
Die Inflation 1914 bis 1923
Durch den Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 kam es zu einer Geldwertverschlechterung, d.h. die umlaufende Geldmenge vermehrte sich und die Kaufkraft sank.1918 erweiterte sich die Geldmenge nach der militärischen Niederlage nochmals. 1921 wurde die Höhe der alliierten Reparationsforderungen festgelegt, was die Inflation wiederum beschleunigte.
Ihren Höhepunkt erreichte sie im November 1923 und die Ersparnisse zahlloser Familien waren vernichtet. Nun war das Vertrauen in den Staat verloren.
Die Inflation 1914 bis 1918
Um die staatlichen Goldvorräte zu erhalten wurde das Ermächtigungsgesetz aufgehoben. Reichsbanknoten, Privatbanknoten, Reichskassenscheine und Scheidemünzen wurden von nun an bei allen öffentlichen Kassen nicht mehr gegen Gold eingetauscht. Es wurde jetzt zu gelassen, dass das Reich Schuldverschreibungen und Kredite gewährte und somit Darlehnskassenscheine als Zahlungsmittel in Umlauf gab. Dies war der Weg der Regierung zur Staatsfinanzierung durch vermehrten Geldscheindruck!
1918 lag die umlaufende Geldmenge bei 33 Milliarden Mark, fünfmal mehr als beim Kriegsbeginn. Das Warenangebot war rückläufig und es kam zu stärkeren Preissteigerungen. Der Dollarkurs stieg unaufhaltsam. Die Lage verschärfte sich zusätzlich durch die 164 Milliarden Mark Kriegskosten. Die Folge von Schuldverschreibungen, Anleihen und Steuererhöhung war eine immense Staatsverschuldung.
Obwohl alle Münzstädten auf Hochtouren arbeiteten, führte die Mobilisierung zu einer Kleingeldknappheit. Städte, Gemeinden und Firmen gaben ihr eigenes Kleingeld um den Zahlungsverkehr zu erhalten. Weil Kupfer und Nickel knapp wurden, wurden Münzmengen aus Eisen, Zink und Aluminium produziert. Dies reichte nicht, und so wurden wieder Kleingeldersatzscheine hergestellt.
Die Inflation nach Kriegsende (1918 bis 1923)
Die Staatsschulden nahmen durch soziale Leistungen für die Kriegsopfer zu und außerdem wurden die Reparationsforderungen von den Alliierten mit dem Londoner Ultimatum durchgesetzt. Die Einnahmen aus Steuern, Zöllen und Abgaben reichten längst nicht. Der Devisenankauf lies den Kurs der deutschen Währung immer weiter abrutschen.
Ab 1922 wurden Scheine mit höherem Wert als 1000 Mark gedruckt, bis sie im November über 100 Billionen Mark hatten. 700 Trillionen Mark Notgeld wurde heraus gegeben und rund 524 Trillionen Mark von der Bank verausgabt. Die Löhne und Gehälter konnten dem Anstieg der Preise für Waren nicht folgen. Ersparnisse wurden vernichtet. Die Leute versuchten so schnell wie möglich ihr Bargeld in Sachwerte einzutauschen.
Gustav Stresemann bemühte sich um eine Stabilisierung der Währung. Es waren mehr als 2800 verschiedene Geldscheinsorten im Umlauf. Die Deutsche Rentenbank wurde zur Bekämpfung der Inflation verkündet. Am 15. November wurde der Dollarkurs auf 4,20 Rentenmark festgesetzt. Durch die Kredite konnten viele Unternehmer ihren Besitz erweitern und sie zahlten mit entwertetem Geld zurück und die Schulden lösten sich auf. Durch die Währungsumstellung am 15.11.23 beliefen sich auf gerade mal 16,4 Pfennig.
Anfang der zwanziger Jahre. Hamburger Ball ohne Klavierspieler. Streik der öffentlichen Verkehrsmittel. Welche Hürden ein Junge überwinden musste, um während des Kapp-Putsches nach Hause zu kommen.
Jahre voller Arbeit und Not: Mit 500 Goldmark als Abfindung verließ er den elterlichen Hof und entschloss sich, eine Stelle als Forstarbeiter anzunehmen. Die Arbeit im Wald sagte ihm zu, zumal er sich in das Dienstmädchen verliebte, das im Forsthaus arbeitete. Als sie die Försterei verließ, um in Bremen eine Stellung anzunehmen, folgte er ihr. Aus den beiden wurde ein Paar, sie heirateten und arbeiteten hart ihr ganzes Leben lang.
Ich erinnere mich nur an die permanenten Luftangriffe und die Geräusche der FLAK. Ich habe fast genau so viel Zeit im Keller verbracht wie draußen oder im Haus. Selbst meine Geburt fand im Keller statt.
Wir trauern um die Redaktionsmitglieder, die uns für immer verlassen haben.
Unsere Ziele sind relativ schnell formuliert. Wir wollen einen Beitrag zu lebendiger Erinnerungskultur leisten, indem wir individuelle Geschichten und Erfahrungen einer breiten Masse zugänglich machen. Ebenso fördern wir mit unserem Projekt auf unterschiedlichen Ebenen den Austausch zwischen verschiedenen Generationen, die viel voneinander lernen können