Die Behebung der Wohnungsnot und die Schaffung von menschenwürdigem Wohnraum nach dem ersten Weltkrieg durch die Gründung von gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaften durch die Gewerkschaften in Hamburg
Die Wohnungssituation nach dem 1. Weltkrieg war in Hamburg katastrophal. Die aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten und in die Stadt drängende Menschen, die hier um Arbeit nachsuchten, verschärften die Lage auf dem Wohnungsmarkt immer mehr. Hohe Fachwerkhäuser ohne Kanalisationsanschluss, enge Gänge, in die kaum ein Sonnenstrahl fiel. Kleinstwohnungen, das Klo auf der Straße. Ferner hinter vornehmen Vorderhäusern die lichtlosen, eng beieinander stehenden fünfgeschossigen Hinterhäuser. Diese Bauweise ergab die höchste Ausnutzung der Grundstücke und hohe Mieteinnahmen auf Kosten der Gesundheit der Mieter.
Diese Arbeiterwohnquartiere und die noch schlimmeren Wohnungsverhältnisse in den Gängevierteln führten zur Selbsthilfe, wie der Gründung von gemeinnützigen Baugenossenschaften in Hamburg durch den damaligen Deutschen Gewerkschaftsbund, des Freien Angestelltenbundes und des Bauhüttenverbandes – Nord.
Gesunde Wohnungen in der Nähe der Arbeitsplätze zu erschwinglichen Mieten, – das war der Auftrag der Gewerkschaften, den sie ihrer Genossenschaft mit auf den Weg gegeben hatten.
Der Hamburger Staat förderte den Bau von Kleinwohnungen mit Mitteln, die er aus der Hauszinssteuer einnahm. Mit dieser Steuer wurde der Althausbesitz belastet, denn Haus- und Grundbesitz hatten den Eigentümern in der Inflation erhebliche Vermögensvorteile eingebracht. Dazu kamen die Eigenmittel der Mitglieder der Genossenschaft und vor allen Dingen die tätige Mithilfe am Bau.
Im Folgenden einige Beispiele der Hilfe durch Selbsthilfe im Wohnungsbau der gemeinnützigen Baugenossenschaft freier Gewerkschafter mit Sitz in Hamburg.
1922 bis 1932. Ein langer Weg zum Erfolg
Herr Gräning, Herr Hellmuth und Herr Baumann, worunter Herr Paarmann bis 1929 noch mitwirkte, konnten durch eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 ein überaus großes Bauprogramm erstellen und auch verwirklichen:
1927 gab es eine Wohnanlage in der Süderstraße/ Borstelmannsweg (Hamm) mit insgesamt 84 Wohnungen und zwei Läden. Hier hatten die Bewohner schon Bäder, Etagenheizung, eine Gemeinschaftswaschküche und zentrale Warmwasserversorgung.
1928 im Elligersweg ( Barmbek-Nord) entstanden 101 Wohnungen und ein Laden. Alle 101 Wohnungen hatten damals schon Bäder, zentrale Warmwasserversorgung, Etagenheizung und eine Gemeinschaftsküche. Bei dieser Wohnanlage wurde den Hausfrauen sogar die Arbeit erleichtert. Sie konnten die schmutzige Wäsche in die Wäscherei geben, wo die schmutzige Wäsche von einer Wäscherin gewaschen wurde, die von der Genossenschaft angestellt wurde. Für einen günstigen Preis wurde auch die Wäsche innerhalb von nur einem Tag schrankfertig ausgeliefert. Zum Markenzeichen der Genossenschaft bei den Wohnanlagen wurde ein Planschbecken, welches sich im Innenhof auf dem Spielplatz befand, und eben die Wäscherei, da es dies zu dieser Zeit sehr wenig gab.
1929/30 entstand schon eine etwas größere Wohnanlage, nämlich mit 160 Wohnungen und zwei Läden in der Wilhelmsburger Straße/Am Gleise (Veddel) direkt am Freihafen.
In Jahr 1931 wurden 113 Wohnungen an die 101 Wohnungen im Elligersweg als Anschluss angebaut mit insgesamt zwei Läden in der Rümkestraße (Barmbek-Nord).
Samstag abends war immer volles Haus
Die Ausstattung der Wohnungen von der Genossenschaft waren sehr gefragt, da sie schon in den 30er Jahren mit warmem Wasser versorgt wurden. Also, so genante Warmwasserblocks. Deshalb meldeten sich Verwandte und Freunde am Samstag zum Baden an. Damals in den 30er Jahren verfügten nur die wenigsten Wohnungen über Bäder.
Block- und Hausobleute waren notwendig und nicht wegzudenken
Innerhalb von nur sieben Jahren hatte die Genossenschaft 646 Wohnungen mit einem ehrenamtlichen Vorstand errichtet. 1931 wurde dann Richard Gräning für ein mageres Gehalt als geschäftsführendes Vorstandsmitglied bestellt. Damals betrachtete sich der Aufsichtsrat nicht nur als ein Aufsichtsorgan, sondern er leistete sogar praktische Arbeit, indem er auftauchende Probleme löste. Am Erfolg waren auch die Block- und Hausobleute beteiligt. Sie sorgten damals für Sauberkeit, kleinere Reparaturen und schlichteten einige Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn, wenn es denn mal welche gab.
Der Blockobmann kassierte die Nutzungsentgelte und einmal im Jahr zahlte er an die Mitglieder die Dividende aus.
Immer weniger Baugeld
Die Bauvorhaben verliefen natürlich nicht immer problemlos. So steht in einem Geschäftsbericht von 1929, dass die Schwierigkeiten von Jahr zu Jahr größer geworden sind. 1924 zum Beispiel machte das Beihilfedarlehen des Staates 85 % der nötigen Baugelder aus, wobei es fünf Jahre später, also 1929, nur noch 45 % betrug. Ebenfalls wurde die Beschaffung von Hypotheken immer schwerer. 1929 betrug dann die Bilanzsumme bereits 5,9 Mill. RM (Reichsmark). Die Genossenschaft hatte über 1.200 Mitglieder und besaß 341 Wohnungen.
Beim Aufbau der Genossenschaft packen alle mit an. In freiwilliger Arbeit werden 1929 die Ausschachtungsarbeiten für Planschbecken und Sandkiste erledigt. Jede Mark, die für Aufträge gespart werden konnte, stärkte die Genossenschaft.
Falsche Kritikerkritik
Auch bei diesem Projekt der Genossenschaft hatten Kritiker ihre Befürchtungen und wie immer etwas daran auszusetzen. Die Kritiker warfen vor, dass die Wohnungen zu aufwendig gebaut und somit zu teuer für Angestellte und Arbeiter waren. Allerdings gab es auch einen gegenteiligen Kritikpunkt. Hier wurde danach vorgeworfen, dass die Wohnungen zu klein waren und zu unkomfortabel seien. Heute, 70 Jahre nach dem Bau der Wohnblöcke, die der Krieg verschont hatte, sind sie immer noch begehrt, ähnlich wie früher, weil sie modernisiert wurden.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!
Die Genossen, oder besser gesagt, die Bewohner, hatten ein sehr gutes Verhältnis untereinander. Jeder half jedem und wenn es um Gemeinschaftsarbeiten ging, war meist der Einsatz von den Leuten enorm groß. Jeder Bewohner war damals glücklich, dass er nicht mehr in den sogenannten Hinterhofwohnungen leben musste, sondern dass seine Kinder in sauberen und gepflegten Wohnungen aufwuchsen, auch wenn die Miete von etwa 45,00 RM oft mehr als nur einen Wochenlohn verschlang.
Damals gab es noch keinen Fernseher, das Radio steckte noch in den Anfangsphasen und ein Auto war für die Menschen von damals undenkbar. Deshalb haben die Bewohner als Höhepunkt des Jahres für alle Bewohner Blockfeste mit einem großen Kinderprogramm organisiert. Dieses Fest, und auch noch andere Feste, diente, als Unterhaltung und als Spaßfaktor für jedermann.
Blockfeste waren für alle, aber besonders für die Kinder ein Höhepunkt des Jahres. Ein Becher Milch und Kuchen wurden zur Stärkung serviert und dann wurde gespielt, gesungen und vorgetragen. Ein besonderer Abschnitt war “unseren Alten” gewidmet. Für die Erwachsenen war abends Schwof.
Aufstieg von den Nationalsozialisten, wie kam es dazu
Durch die Erholung von der Wirtschaft, die durch die große Inflation sichtlich angeschlagen war, profitierte die Genossenschaft. Die Mitgliederzahl wuchs stetig. Von 1924 bis 1932 stieg die Anzahl von 824 auf über 1.000 Mitglieder, für die 646 Wohnungen bereitstanden. Doch leider gab es wieder eine Unterbrechung, nämlich die Weltwirtschaftskrise. Begonnen hat sie am 24. Oktober 1929, auch „Schwarzer Freitag“ genannt, durch den Börsenkrach in New York.
Plötzlich stieg die Arbeitslosigkeit rapide an: 1933 waren 6,1 Mill. ohne Arbeit; allein in Hamburg waren 30% der Bevölkerung arbeitslos. Die Arbeitslosenunterstützung betrug nur noch 20 bis 30 Prozent des letzten Lohnes. Das bedeutete für viele Familien Hunger und Not. Das Bauen von Genossenschaftswohnungen wurde dadurch natürlich unmöglich. Viele Menschen glaubten, dass sie nur aus der großen Not wieder rauskommen, wenn ein radikaler Wechsel der Politik passierte. Die Nationalsozialisten und Kommunisten gewannen eben dadurch mehr Stimmen dazu und es kam schließlich 1933 zur Machtergreifung von den Nationalsozialisten.
Loki Schmidt kann sich noch gut erinnern:
Als Loki Schmidt drei Jahre alt war, zog sie mit ihren Eltern und drei Kindern aus der Wohnung der Großeltern in eine eigene Wohnung in Borgfelde. Ihre Wohnung war damals 28 qm klein. Da dort nie die Sonne schien und es nur eine Gasbeleuchtung gab, gingen alle Topfpflanzen ein. Das Klo befand sich im Treppenhaus, wobei sich Wasserhahn mit Ausguss in der Wohnung als Komfort befand.
Danach zog sie mit ihrer Familie 1929 in eine Wohnung in Horn. Doch schon bald wurde diese Wohnung auch zu klein, da Lokis Schwester Rose geboren wurde. Also zogen sie 1929 das dritte Mal um. Diesmal in einen Neubau für kinderreiche Familien in Hamburg-Horn.
Die Küche in der Wohnung war 20 qm groß und umfasste eine Kochnische, eine kleine Loggia, eine Speisekammer und einen Müllschlucker. Die ganze Familie wurde auf insgesamt drei Zimmer aufgeteilt. Lokis Bruder bekam ein eigenes Zimmer. Der Rest der Familie musste sich mit einem anderen Familienmitglied ein Zimmer teilen. Das Badezimmer besaß sogar eine Wanne, einen Boiler und ein WC, außerdem gab es in jedem Raum eine Zentralheizung. Dann plötzlich wurde Lokis Vater 1931 arbeitslos, wodurch es dann natürlich viele Probleme gab. Die Miete der damaligen Wohnung kostete 77,00 Mark, natürlich zu viel Geld für einen Arbeitslosen, auch wenn er Unterstützung bekam. Deswegen musste nun noch mehr gespart werden als vorher. Lokis Vater machte z.B. alle Reparaturen selbst; auch wurden die Arbeitslosen zu Arbeitseinsätzen eingeteilt. Dann fuhr ihr Vater ins Alte Land oder zu Erntearbeiten und half dort mit, um sich wenigstens ein paar Mark zu verdienen.
Die Wohnanlage Horner Weg wurde im Juli 1943 bei den schweren Luftangriffen auf Hamburg zerstört, 1952 aber wieder aufgebaut und seit dem Jahr 2000 umfangreich modernisiert.
Monika Pape schildert ihre Lebensbedingungen als junger Mensch und wie sie es geschafft hat, aus der DDR in den Westen zu fliehen.
Kindheit und Jugend während der Zwanziger Jahre. Eindrucksvolle Einblicke in den Alltag zweier junger Norddeutscher. Über die Erziehung, Schulzeit und die ersten Berufserfahrungen.
Auch die Schuhe wurden irgendwann knapper und gingen kaputt. Dafür gab es Bezugsscheine. Die Lehrer in der Schule haben beurteilt, ob man schon dringend neue Schuhe braucht. Das war aber nur, wenn man fast keine Schuhe mehr an den Füßen hatte, sondern Fetzen. Einmal habe ich auch neue Schuhe bekommen, da hab ich mich sehr gefreut.
Wir trauern um die Redaktionsmitglieder, die uns für immer verlassen haben.
Unsere Ziele sind relativ schnell formuliert. Wir wollen einen Beitrag zu lebendiger Erinnerungskultur leisten, indem wir individuelle Geschichten und Erfahrungen einer breiten Masse zugänglich machen. Ebenso fördern wir mit unserem Projekt auf unterschiedlichen Ebenen den Austausch zwischen verschiedenen Generationen, die viel voneinander lernen können