Interview mit Heinrich Ganzow (*1934)
Vom fünften bis zum achten Lebensjahr war ich im Kindergarten. Zu der Zeit(kurz vor dem Krieg) sind schon Soldaten bei uns an der Straße entlang marschiert. Die haben mich immer sehr beeindruckt. Ich fand besonders die Uniformen gut. Ich wollte auch Soldat werden und meine Mutter und besonders mein Vater, der SA-Mann war, fanden das toll.
Mit neun Jahren wurde ich zum Jungvolk einberufen. Ich bekam ein Schreiben, dass ich in die Hansa-Schule muss, dort war ein Büro, in dem man sich anmelden sollte.Dort saßen der Stammführer und noch jemand anderes. Wir mussten uns in einem großen Raum versammeln und dann wurden alle nacheinander aufgerufen. Uns wurde gesagt, wo wir hingehen mussten und dass wir in Uniform zu erscheinen hatten.
Zuerst war ich noch bei den „Pimpfen“, das waren die ganz jungen und ganz neuen. Später, als ich älter war, war ich beim Jungvolk. 21 Jungen waren in meiner Gruppe, es gab drei Gruppen von meinem Jahrgang.
Wir bekamen eine Uniform für den Sommer und eine für den Winter, die auch bei jedem Treffen getragen werden musste. Die Uniform für den Sommer war überwiegend braun. Wir haben eine kurze Hose getragen, dazu schwarze Halbschuhe, ein Fahrtentuch,das mit einem schwarz-braunen Lederknoten gehalten wurde. Um die Hose hatten wir einen Gürtel und ein Koppelschloss, auf dem drauf stand:”Blut und Ehre”. Links an der Seite hatten wir ein Fahrtenmesser, das 20 cm groß war, mit einem Hakenkreuz und den Buchstaben “D.J.” (Deutsches Jungvolk). Die Uniform für den Winter war schwarz. Dazu hatten wir eine schwarze „Skimütze“ mit Schirm. Natürlich hatten wir im Winter eine lange Hose an. Im Winter trugen wir noch zusätzlich eine Armbinde mit Hakenkreuz. Die Uniform musste man selbst bezahlen, aber meine Sommeruniform habe ich von einem älteren Jungen bekommen, der schon aus seiner Uniform herausgewachsen war.
Zweimal in der Woche mussten wir zum Treffen im Jungenheim bei uns in Zollenspieker, das war Pflicht. Aber ich bin auch immer gerne hingegangen, denn es hat sehr viel Spaß gemacht.
Wir haben marschieren gelernt und haben dabei immer gesungen: „Die Fahne hoch …“ und „Wir sind Soldaten …“. Am Anfang jedes wöchentlichen Treffens mussten wir uns alle in Reihen hintereinander aufstellen, dann hat unser Fähnleinführer Kommandos verteilt, und wir marschierten los. Einmal in der Woche ist man durch die Straßen marschiert und hat dabei die oben aufgeführten Lieder gesungen. Als die Leute die Trommeln (die mit roten Flammen bemalt waren) gehört haben, die von den Trommlern vor uns ertönten, gingen sie auf die Straße. Sie waren ganz begeistert von uns. Sie waren auch begeistert von Hitler. Jedes Mal, wenn wir vorbei gekommen sind, haben sie den Hitlergruß gemacht. Das war ganz normal.
Wenn wir nicht marschiert sind, also der andere Tag, an dem wir noch Treffen (oder auch Dienst genannt) hatten, haben wir zum Beispiel Geländespiele gemacht. Ein Spiel war zum Beispiel eins, bei dem jeder ein Wollband um das Handgelenk hatte und man versuchen sollte,so viele Bänder wie möglich zu erbeuten. Wer die meisten hatte, gewann. Das haben wir oft gegen die Altengammer oder die Krauler gespielt. Aber einmal haben wir das sogar gegen die Bergedorfer gespielt. Das war für uns etwas Besonderes, weil alle Jungen der H.J. aus Vierlanden zusammen gegen die Bergedorfer gespielt haben und die Bergedorfer standen auf den Boberger Dünen, wo wir dann raufstürmen mussten. Das war ein einmaliges Erlebnis. Das Spiel ging unentschieden aus.
Das Spiel diente eigentlich nur zum Training. Wir lernten dadurch kämpfen und robben und Sturm (Angriff). Wenn wir Angriff geübt haben, haben wir die Gegner aber nur auf den Rücken gelegt, sie also nicht verletzt.
Einmal haben wir einen Ausflug von 4 oder 5 Tagen in ein Zeltlager für Jugendliche gemacht. Dort haben wir auch Geländespiele gemacht, geübt für die Front und marschieren gelernt. Abends wurde uns etwas vorgelesen, das waren Texte, die uns gegen die Kommunisten aufhetzen sollten, kann ich heute sagen. Da wurde uns zum Beispiel auch gesagt, dass Horst Wessel von Kommunisten ermordet wurde, was aber nicht stimmt.
Zu unseren Aufgaben bei den Pimpfen zählte, dass wir für das Winterhilfswerk Kleidung sammeln mussten und außerdem eine kleine Spende.
Als der Krieg schon fast zu Ende war, haben wir Schießen an einem Schießstand gelernt. Wir haben dort auf Zielscheiben geschossen.
Die älteren, die bei der Hitlerjugend waren, hätten Abzeichen bekommen, wenn sie einen Panzer abgeschossen hätten,das hat aber niemand geschafft. Wenn man bei der H.J. war, konnte man auch Fliegen lernen und die 17- bis 18-jährigen wurden dann bei der FLAK (Flugabwehr) eingesetzt.
Die Mädchen waren beim Bund Deutscher Mädel (BDM). Die haben sich aber anderswo getroffen, nicht an dem Ort, wo wir uns getroffen haben. Sie haben Reigentänze gemacht, kochen und handwerkliches gelernt oder wurden in die Behandlung kranker Menschen eingewiesen.
Mein Vater wurde von Mitarbeitern der Stasi mitten aus der Arbeit geholt, in Autos mit verdunkelten Scheiben gezerrt und in geheime Gebäude verschleppt. Dort fanden dann unter fragwürdigen Bedingungen die Verhöre statt. Dass das der Wahrheit entsprach, habe ich selbst erleben müssen. Ich wurde ebenfalls einmal aus der Schule abgeholt.
Zu Unrecht beschuldigt, misshandelt und weggesperrt. Dies war für Jochen Stern bittere Wirklichkeit. Nachdem er als Junglehrer der LDP beitrat, wurde er bespitzelt und überwacht.
Die Sowjetunion deklarierte ihn daraufhin als Spion und inhaftierte ihn ohne Prozess.
Ich war 10 Jahre alt, als ich 1948 mit meinem drei Jahre jüngeren Bruder Uli und meiner Mutter Ilse nach Aumühle zog. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen. Mir wurde erzählt, dass wir umziehen, weil meine Mutter Oma Margarete beim Einkaufen helfen und sich um sie kümmern sollte. Ob das der wahre Grund war, weiß ich bis heute nicht
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