Durchbeißen in geistlicher Ödnis und Ausbildung durch Ausbeutung
Norbert Norbert Mieck wurde am 29. Februar 1936 in Köslin/Pommern geboren. Durch seine Großmutter und seine Mutter kam er in Kontakt mit dem evangelisch-christlichen Glauben. 1945 musste die Familie vor der anrückenden sowjetischen Armee fliehen und fand auf einem Bauernhof im Kreis Flensburg Unterkunft. Sein Glaube wurde gestärkt, als er 1948 in den Konfirmationsunterricht kam.
Zwei Jahre später wurde er konfirmiert. Danach trat er in den CVJM ein und besuchte viele kirchliche Veranstaltungen. Doch seine Leistungen in der Schule wurden immer schlechter. Ein Grund dafür war sein schwieriges Elternhaus. Sein gewaltbereiter Vater war Alkoholiker und schlug ihn und seine Geschwister schon bei Kleinigkeiten mit dem Stock. Mit 16 drohte dann ein Sitzenbleiben auf dem Gymnasium. Aus Angst vor der Reaktion seines Vaters sprach er mit seinem Konfirmationspastor Martin Nelle, der ihm eine Ausbildung im Rauhen Haus in Hamburg zum Diakon empfahl. Er bewarb sich und wurde am 2. Februar 1953 angenommen. Zu Anfang der Ausbildung musste er ein Jahr lang ein Vorpraktikum ableisten. Als Hausbruder wurde er in die Heizkesselversorgung von drei Häusern eingewiesen, die er künftig zu versorgen hatte. Ferner oblag ihm, sich um den Mittagessenstransport des Altenheims zu kümmern. Und je nach Bedarf war noch Gartenarbeit angesagt, ferner die Männer des Altenheims baden.
Nach dem Dienst ging er mit den anderen Brüdern zu einer kleinen Andacht. Viele hatten sich ein frommeres Leben vorgestellt. Seine Enttäuschung war groß, wie auch die vieler seiner Brüder, sodass die Hälfte von ihnen schon nach wenigen Monaten aufgab. Statt geistlicher Betreuung musste viel Arbeit erledigt werden. Taschengeld gab es anfangs zehn DM pro Monat, später dann 20 und 30 DM. Da Norbert Mieck noch sehr jung war, sollte er noch ein weiteres Vorpraktikum ableisten. Diesmal im städtischen Versorgungsheim Cuxhaven. Vormittags arbeitete er mit dem Heimleiter im Büro, erledigte die Post und führte Statistiken und Karteien. Nachmittags war er in der Schulkinderstation tätig und musste mit ihnen die Hausaufgaben erledigen und draußen spielen. Während der Erntezeit fuhr Norbert Mieck viel Trecker, diese Arbeit bereitete ihm verhältnismäßig viel Spaß, ansonsten wurde er für anstehende Aufgaben im Altenheim eingesetzt. Er freundete sich mit der Praktikantin Gisela Schwarz an, und sie verbrachten einige Abende im Tagesraum im Gespräch miteinander. Darüber informierte der Heimleiter, der angebl. über eine Schwäche Norbert Miecks gegenüber dem weiblichen Geschlecht von der Leitung des Rauhen Hauses informiert war, das Rauhe Haus und Norbert Mieck musste ohne Rücksprache Cuxhaven verlassen. Und wurde direkt zum Brüderhof abtransportiert. Auch in Cuxhaven hatte keine geistliche Betreuung stattgefunden.
Sein drittes Jahr absolvierte er dann auf dem Brüderhof, einem landwirtschaftlichen Betrieb. Dort war Norbert Mieck in einer Baracke mit fünf anderen jungen Männern, die alle in irgendeiner Form behindert waren, untergebracht. Zum Waschen gab es nur kaltes Wasser und draußen befand sich ein Plumpsklo. Das Essen war sehr karg und meistens gab es Bratkartoffeln mit Buttermilch und selten kam jemand vorbei um aus der Bibel vorzulesen. Im Sommer brach Norbert Mieck dann während der Erntearbeit bewusstlos auf dem Erntewagen zusammen und musste in ein Krankenhaus, wo er sechs Wochen lag, ohne dass ihn irgendjemand aus dem Rauhen Haus oder vom Brüderhof besucht hätte. Es wurde ein nervöses nichtorganisches Herzleiden diagnostiziert, welches wohl an seelischen Konflikten lag, wie der Chefarzt meinte. Der Chefarzt riet ihm, die Ausbildung abzubrechen. Dennoch setzte Norbert Mieck seine Ausbildung fort, hierfür sollte er allerdings leichtere Arbeiten auf dem Brüderhof verrichten. Doch gegen die ärztliche Anordnung musste Norbert Mieck seine gewöhnlichen Arbeiten fortsetzten, zu diesen zählte unter anderem das Kühemelken. In der Trostlosigkeit seines Daseins kam ihm immer häufiger der Gedanke an einen Austritt aus dem Rauhen Haus. Stattdessen wollte er seine Existenz bei den Soldaten sichern oder Seemann werden. Seine Mutter jedoch hielt ihn durch einen herzerschütternden Brief davon ab.
Endlich kam er Im März 1956 ins Rauhe Haus zurück und begann mit der regulären Ausbildung. Doch seine religiösen Überzeugungen trugen nicht mehr, und er wollte die vier Jahre hinter sich bringen, um einen Beruf zu erlangen.. Anfangs musste er sich um 12 Jungen der dritten Klasse kümmern und sie wecken, mit ihnen Hausaufgaben machen etc. Zusätzlich besuchte er den Unterricht, zu dem gehörten die üblichen Fächer wie Mathematik und Deutsch, aber auch Literatur, Dogmatik, Diakonie-Geschichte, Recht sowie das alte und das neue Testament.
Im zweiten Ausbildungsjahr war der Unterricht auf den Sozialarbeiter-Abschluss abgestimmt. 1957/58 wurde Norbert Mieck Leiter der Krankenstube. Während einer Grippeepidemie musste er 30 bis 40 Jungen alleine versorgen und konnte so auch nicht am Unterricht teilnehmen. Während der Ausbildung mussten zwei Praktika absolviert werden, die Norbert Mieck in der Sozialabteilung des Ortsamtes Hamburg-Billstedt und in der Jugendhilfsstelle des Jugendamtes absolvierte. Nach den Praktika machte er die Prüfung zum Sozialarbeiter. Im letzten Ausbildungsjahr fand der Unterricht vormittags statt und nachmittags machte Norbert Mieck ein Praktikum in der Kirchengemeinte St. Georg. Nach dem Examen 1960 bekam er eine Stelle als Diakon angeboten. Doch diese lehnte er ab, da für ihn die Religion an Sinn verloren hatte. Statt dessen fing er bei der behördlichen Gefährdetenhilfe an.
2014 trat er dann aus dem Rauhen Haus aus.
Redaktionelle Hinweise:
Als themenbegleitender Senior habe ich den gesamten Entstehungsprozess der schriftlichen Fixierung von Norbert Miecks „Leidensweg“ bei ihm selber sowie die Bearbeitung durch die beiden Schülerinnen aus der Profilklasse „Kollektives Gedächtnis“ der Gesamtschule Bergedorf begleitet.
Den vollständigen Text von Norbert Mieck können Sie hier nachlesen.
Wir konnten anregen, dass die für die Prävention verantwortliche Pröpstin sich in einem Brief an Norbert Mieck wendet.
In der ersten Hälfte des sehr einfühlsamen Textes führt die Leitungsperson ihre Betroffenheit nachvollziehbar aus, um in der zweiten Hälfte das Einbeziehen der konkreten Erlebnisse Norbert Miecks in die aktuelle Präventionsarbeit innerhalb der Kirche zu skizzieren.
Dieser Brief ist persönlich an Norbert Mieck gerichtet und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Wir stehen im Kontakt zu einer leitenden Mitarbeiterin der Abteilung „Prävention“, die unsere Fragen, wie die konkreten Erlebnisse des Norbert Mieck ihre Verarbeitung in der aktuellen Präventionsarbeit finden kann, so beantwortet hat:
„Selbstverständlich ist es für die Präventionsarbeit von großer Bedeutung zu erfahren, welche Leidenswege Personen in den kirchlichen Institutionen gehen mussten, so auch Norbert Mieck. Viele der wichtigen Maßnahmen, die für den Schutz von Kindern und Jugendlichen getroffen werden, resultieren aus den Berichten Betroffener.“
Peter Windmüller
Ich war seitdem zweimal in der Ukraine, da meine Großeltern väterlicherseits noch dort leben. Ich muss nach meinen Erlebnissen dort jedoch sagen, dass ich sehr glücklich darüber bin, hier leben zu können.
Dünger und Kohle kamen per Schiff. Harte Arbeit mit Spaten und Schubkarre anstelle von Maschinen prägte das Leben auf dem Land. Krämerläden ergänzten die Eigenproduktion und Schlachter sowie Bäcker kamen an die Tür.
Die Situation in den Arbeiterwohnquartieren und die noch schlimmeren Wohnungsverhältnisse in den Gängevierteln nach dem Ersten Weltkrieg führten zur Gründung von gemeinnützigen Baugenossenschaften in Hamburg durch den damaligen Deutschen Gewerkschaftsbund, den Freien Angestelltenbund und den Bauhüttenverband Nord.
Gesunde Wohnungen in der Nähe der Arbeitsplätze zu erschwinglichen Mieten – das war der Auftrag der Gewerkschaften, den sie ihrer Genossenschaft mit auf den Weg gegeben hatten.
Wir trauern um die Redaktionsmitglieder, die uns für immer verlassen haben.
Unsere Ziele sind relativ schnell formuliert. Wir wollen einen Beitrag zu lebendiger Erinnerungskultur leisten, indem wir individuelle Geschichten und Erfahrungen einer breiten Masse zugänglich machen. Ebenso fördern wir mit unserem Projekt auf unterschiedlichen Ebenen den Austausch zwischen verschiedenen Generationen, die viel voneinander lernen können