Interview zum Thema „Staatssicherheit“

Dieser Eintrag stammt von Linn Börjesson (* 1992)

Die Staatssicherheit, kurz „Stasi“, war ein Untersuchungsorgan in der deutschen demokratischen Republik, dass sich mit der Verfolgung von „politischen Straftaten“ auseinandersetzte, sowie die allgemeine Bezeichnung für den In- und Auslandsgeheimdienst der DDR. Das Ministerium für Staatssicherheit war ein wichtiger Machtfaktor innerhalb des Regimes, da durch diese Institution Regimekritiker und DDR- Bürger aus dem Weg geschafft werden konnten. Die herrschende Partei SED konnte die Bevölkerung einschüchtern und unterdrücken und so ihre Machtposition weiter festigen. Im Gegensatz zu westlichen Geheimdiensten, in denen es eine strikte Gewaltenteilung gab, hatte die „Stasi“ auch polizeiliche und staatsanwaltliche Befugnisse, was für ihre Rolle als Überwachungs- und Repressionsorgan kennzeichnend ist.

Ellen Lothrius (*1929), gebürtige Hamburgerin, deren Mann (*1924) aus Bautzen stammt und dort zur Zeit der deutschen Teilung Verwandte hatte, die sie oft besuchte, sprach mit mir über ihre Erlebnisse zum Thema „Stasi“.

 


 

Ellen, warum kannst du, als Hamburgerin, eigentlich etwas zur „Stasi“ erzählen, die ja ein Organ des politischen Systems in der DDR war?

Mein Mann stammt aus Bautzen (Ostsachsen) und hatte daher Verwandte dort, die ich mit unseren Kindern ab und an besuchte. Mein Mann, der bis 1949 in englischer Kriegsgefangenschaft war, konnte bei diesen Besuchen nicht mitkommen, da er als eigentlicher DDR-Bürger Angst hatte, das Land nicht mehr verlassen zu dürfen.

 

Es war auch recht beängstigend, dass man sich nie sicher sein konnte, ob man auch wieder ausreisen durfte. Man brauchte ja ebenso wie ein Einreise- auch ein Ausreisevisum. Wenn man im Grenzübergang stand, wurde man erst gründlich kontrolliert, das Auto mit Spiegeln nach bestimmten Sachen abgesucht, ob man z.B. Gegenstände einschmuggelte, die in der DDR nicht erlaubt waren. Es gab bestimmte Listen auf denen Stand, was du Verwandten mitbringen oder schicken durftest. Und die Pakete wurden kontrolliert.

 

Dann gab es also kein Postgeheimnis?

Nein, wie es auch kein Wahlgeheimnis gab. Du konntest zwar zur Wahl gehen aber nur die SED wählen. Und wenn du eine andere hättest wählen können, hätten das wohl auch die Wenigsten getan, da man dann ja gleich als „systemfeindlich“ galt.

 

Was konnte die Stasi denn schlimmstenfalls tun?

Dich inhaftieren. Die sechzehnjährige Tochter eines befreundeten Paares, einer Ärztin und einem Apotheker, wurde einmal für drei Tage ins Gefängnis gesteckt, weil sie ein „Schwerter zu Pflugscharen“ – Zeichen , welches für eine christliche Antikriegsbewegung stand, an der Jacke trug.

 

Einfach so? Ohne polizeiliche Vernehmung oder irgendeine Einspruchsmöglichkeit?

Ja, man hat sie einfach so mitgenommen. Sie bekam später auch keine Studienzulassung, da sie zum ersten ja nicht zur, von der Partei bevorzugten, Arbeiter- und Bauernschicht gehörte, ihre Eltern waren ja Akademiker und zum zweiten durch die Inhaftierung schon quasi als Regimekritikerin galt. Sie bekam später dann doch einen Platz an der Universität, da ihr Vater in einem hohen kirchlichen Gremium war. aber als sie dann auf einer Studentenfeier mit den anderen Studenten das Deutschlandlied sang, wurde sie ein paar Tage später von der Uni ausgeschlossen. Irgendjemand hatte sie wohl bespitzelt und dann gemeldet.

 

Warum haben denn Menschen aus der Bevölkerung ihre Mitmenschen bespitzelt?

Sie hatten persönliche Vorteile dadurch. Von einem befreundeten Diakon kann ich dazu eine Geschichte erzählen, der auf einer Diakon- Tagung in der DDR einen Diakon aus Leipzig traf. Die beiden unternahmen dann öfter Dinge zusammen, wobei immer noch ein anderer junger Mann dabei war, der in der Ausbildung zum Diakon war. Die waren dann auch lange befreundet und kürzlich ist herausgekommen, dass der jüngste die anderen beiden bespitzelt hatte und der Staat ihm dafür die Ausbildung bezahlt hat. Es gab auch viele Mängel in der DDR, die durch die Planwirtschaft verursacht wurden. Da wartete man ewig auf bestimmte Gebrauchsgegenstände doch wenn man als Spitzel arbeitete und beim Staat dadurch als treuer Bürger bekannt war, konnte man sich bestimmt einige Vorteile verschaffen.

 

Warum gab es eigentlich keinen Widerstand aus der Bevölkerung?

Man hatte zu viel Angst. Angst, dass seiner Familie etwas passiert, dass man beliebig lange weggesperrt wurde. Die Stasi hatte viel Macht, weil das Regime ohne die Möglichkeit „unbequeme“ Personen (die, dem Staatsfrieden im Weg waren) auszuschalten. ihren Machtanspruch, ihre Autorität verloren hätte. Die Kontrolle war daher wichtig.

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