Interview mit Frau E. (*1985)
Meine Interviewpartnerin ist 28 Jahre alt und mit einem Afghanen verheiratet, sie hat ein 6-jähriges Kind. Sie absolvierte ihr Studium zur Sozialpädagogin und konvertierte als Deutsche zum Islam.
Wann sind Sie zum Islam konvertiert?
2004, relativ kurz nach meiner Hochzeit und damals noch mit recht wenig Hintergrundwissen, dafür aber aus vollem Herzen.
Warum sind Sie zum Islam konvertiert?
Banal gesagt, weil es sich richtig angefühlt hat, genau in dem Moment, als ich mich entschloss die Schahada (das Glaubensbekenntnis) zu sprechen.
Welche Rolle spielte die Religion in Ihrem Leben, bevor Sie konvertiert sind?
Ich habe, glaube ich, immer an Gott geglaubt und auch als Kind oft vor mich hin gebetet. Im meinem Umfeld waren aber alle Atheisten, es wurde nie über Gott und Religion gesprochen, das alles wurde als Märchen abgetan. In meiner Pubertät war ich dann gegen Gott und Religion eingestellt. Ich bin somit auch eigentlich nicht konvertiert, da ich vorher keiner anderen Religion angehört habe, sondern habe ganz neu zu Gott und zur Religion gefunden.
War Ihre Entscheidung freiwillig oder wurden Sie von außen beeinflusst?
Freiwillig. Mein Mann wollte eher nicht über Religion sprechen, aus Angst mich zu beeinflussen. Im Islam ist es so, dass in der Religion kein Zwang ausgeübt werden darf. Somit wäre eine Konvertierung aus Zwang sowohl für mich, als auch für meinen Mann eine Art Sünde und Unrecht gewesen. Ich bin allerdings auch recht früh nach der Hochzeit konvertiert, daher weiß ich nicht, inwieweit der Druck höher geworden wäre, wenn ich auch Jahre danach noch atheistisch geblieben wäre. Allerdings war es auch so, dass sich recht früh herausstellte, dass einiges vermeintlich religiöse Wissen eher kulturell gefärbt war. So konnten wir viele Facetten des Islam gemeinsam entdecken und tun es immer noch.
Welche Bedeutung hat der Islam für Sie?
Der Islam ist ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens, eine Art Rahmen, innerhalb dessen ich mein Leben gestalte und ausrichte. Abgesehen von den Ritualen und Richtlinien, die mir eine Struktur geben und mich Gott und auch mir selbst näher bringen, liebe ich zum Beispiel den Ramadan: Ich fühle mich so leicht, bin “bei mir” und Gott sehr nahe durch das intensivere Koranlesen etc. Der Glaube an Gott, der uns schützt und liebt, und an das Jenseits gibt Kraft und Sicherheit in allen Lebenslagen.
Wie kam Ihre Familie mit Ihrer Entscheidung zurecht?
Die Konvertierung wurde nicht direkt kommuniziert oder verkündet, ich bin nicht zu meinen Eltern gegangen und habe gesagt “Übrigens bin ich jetzt Muslima!” Witziger Weise hat sich gezeigt, dass es für viele im Freundes- und Familienkreis ganz klar war, da ich nun einen Muslimen als Mann habe, dass ich konvertieren würde. Ich finde das gar nicht logisch, das füttert auch nur die Vorstellung vom Zwang durch den Mann. Es gibt bei meinen Eltern kein Schweinefleisch, wenn wir da sind, das ist aber auch der einzige Bereich, in dem, stillschweigend allerdings, meine Konvertierung deutlich wird. Ansonsten ist es mehr nach dem Motto: “Wir reden nicht drüber, also ist es nicht so”. Aber es hat sich für Freunde und Familie, abgesehen vom Schweinefleisch, auch keine Veränderung ergeben. Ich bin ja immer noch ich, trag auch kein Kopftuch oder so.
Inwiefern hat sich Ihr Leben verändert?
Mir hat die Religion an sich einen Sinn für mein Leben gegeben. Außerdem hat sie mich zu einem besseren Menschen gemacht, da ich mein Verhalten ständig reflektiere, einfach prüfe, ob es jetzt koran- und /oder sunnagemäß ist. Nicht aus Angst vor dem strengen Gott, denn dieses Bild habe ich nicht, aber die Sunna und die Anweisungen aus dem Koran zeigen einfach, wie der Mensch sein soll.
Ich verstehe mich selbst als progressive Muslima. Der Islam des 21. Jahrhunderts kann nicht identisch mit dem der Anfangszeit sein. Demzufolge versuche ich mein modernes Leben in der westlichen Gesellschaft mit den Quintessenzen, das sind für mich primär die Säulen des Islam, zu kombinieren. Außerdem kann ich mich als Konvertierte auch nicht getrennt von meiner Biografie betrachten, ich bin hier geboren, aufgewachsen und erzogen. Ich kann jetzt doch nicht wie eine Afghanin sein. So feiere ich weiterhin Weihnachten, trage kein Kopftuch, habe auch noch meine männlichen Freunde von früher usw.
Wie sehen Sie die Frauenposition im Islam?
Das ist mein „Bauchschmerz- Thema“ und das hat nichts mit der Stellung der Frau im Islam zu tun, sondern damit, wie ebendiese von den Medien und den Salafisten dargestellt und ausgelegt wird. Außerdem muss man sich als Konvertierte auch permanent rechtfertigen, wie man sich einer Religion anschließen kann, die es erlaubt Frauen zu schlagen und sie zu unterdrücken. Das ist ein sehr breites Thema, so dass ich das hier nur kurz anreißen kann, darüber könnte man stundenlang referieren. Der Islam an sich hat den Frauen der damaligen Zeit viele Rechte gebracht. Beispielsweise wurden damals Mädchen direkt nach der Geburt lebendig begraben, da die Araber sie nicht wollten. Der Prophet (saw) verurteilte dies und verbot es. Deswegen macht es im Islam auch keinen Sinn, dass Söhne bevorzugt werden. Das liegt eher an den Strukturen der Gesellschaften muslimischer Länder. Der Prophet (saw) hatte selbst eine Tochter, die den Muslimen sehr heilig ist.
Hier muss vor allem an der Bildung der Männer über den Islam gearbeitet werden. Auch hier ist vieles von Kulturellem überlagert. Die Männer aus muslimischen Ländern sehen bei ihren Vätern, Onkeln etc. wie diese mit Frauen umgehen und interpretieren dies fälschlicherweise als islamisch. Wenn alle muslimischen Männer den Koran lesen würden, gäbe es zumindest innerhalb muslimischer Ehen keine Unterdrückung mehr. Folglich könnten die Frauen auch offener mit ihrer Religion umgehen und Missverständnisse mit den Nichtmuslimen könnten beseitigt werden. Dies ist allerdings sehr einfach ausgedrückt und eine Wunschvorstellung.
Hier liegt besonders für uns konvertierte Muslimas viel Arbeit und man muss viel reden und den Dialog suchen.
Zu den allgemeinen Vorurteilen:
Sind Sie mit Ihrer Entscheidung glücklich?
JA!!!!
In vielen Zeitschriften gab es auch Artikel, in denen geschrieben stand, was die perfekte Hausfrau zu tun und zu lassen habe. Dort stand zum Beispiel auch, dass die Frau sich hübsch machen sollte, bevor der Mann kam, dabei aber keine Reize zeigen sollte. Sie sollte dem Mann alles bringen, worum er bat und nichts hinterfragen, was der Mann gemacht hat. Sie sollten sich ihrem Mann einfach fügen.
Damals war es üblich, den Beruf an den Nagel zu hängen, wenn Kinder kamen. Dann war man Hausfrau und Mutter. Die berühmten drei K-s: Küche, Kinder, Kirche. Es war ein Mangel, wenn man Kinder hatte und arbeiten musste. Dann hieß es, der Mann verdient wohl nicht so gut.
Heinrich Spitta war damals ein großer Musiker. Otto Jochum, der Bruder des berühmten Dirigenten Eugen Jochum, leitete auf den Braunschweiger Musikwochen der HJ die Stimmbildung. Außerdem arbeitete ein Professor Abendrot mit dem Orchester, wie Bernstein mit dem Schleswig-Holsteinischen Jugendorchester. Wie sollten wir ahnen, dass die HJ etwas Schlimmes sein sollte. So dachten wir uns: „Wenn solche Berühmtheiten in der HJ Mitglieder sind, dann muss es etwas Gutes sein.“
Wir trauern um die Redaktionsmitglieder, die uns für immer verlassen haben.
Unsere Ziele sind relativ schnell formuliert. Wir wollen einen Beitrag zu lebendiger Erinnerungskultur leisten, indem wir individuelle Geschichten und Erfahrungen einer breiten Masse zugänglich machen. Ebenso fördern wir mit unserem Projekt auf unterschiedlichen Ebenen den Austausch zwischen verschiedenen Generationen, die viel voneinander lernen können