Christiane Wermke wurde am 27. Mai 1963 in Berlin geboren und ist ein Kind der DDR. Sie berichtet von ihren Erlebnissen, ihrer Kindheit und ihrem weiteren Werdegang.
Interview mit Christiane Wermke (*1963)
Wie hast du als Kind deine Zeit in der DDR erlebt und verbracht?
Meine Eltern waren beide berufstätig. Mein Vater war Jugendkriminalist und Leistungssportler und meine Mutter Schneiderin. Durch den Beruf meines Vaters war es uns möglich in einen schönen Sportlerblock nach Berlin-Hohenschönhausen zu ziehen. Da meine Eltern beide berufstätig waren, kam ich mit jungen Jahren in eine Kinderkrippe und später ganz normal in den Kindergarten. Ich wurde mit sechs Jahren an einer polytechnischen Oberschule eingeschult und hatte Eiskunst- und Eisschnelllauf als Hobbys. Durch meinen Vater waren wir eine sehr sportliche Familie und er nahm mich zu vielen seiner Handballspiele mit. Ich interessierte mich auch fürs Schwimmen, Bowling und war bei den Jungpionieren.
Wie war die Zeit bei den Jungpionieren für dich?
Ich habe die Zeit als interessant und schön empfunden. Wir hatten viele Sport und Spielnachmittage, Lesezirkel, Wanderungen und Discoabende.
War dir bewusst, dass die Jungpioniere euch „politisch formen“ wollten?
Nein, wir als Kinder haben ja nicht an die Politik gedacht, sondern an die gemeinsamen Aktivitäten und den Spaß in der Gemeinschaft.
Wie sah deine schulische Ausbildung aus?
Ich ging von der 1. bis zur 10. Klasse auf eine polytechnische Oberschule. Als ich 12 Jahre alt war, sind meine Familie und ich nach Berlin-Lichtenberg umgezogen und ich musste die Schule wechseln. Alle Schulen hatten aber das Prinzip, dass man sie von der ersten bis zur zehnten Klasse besucht. Es gab also keinen Unterschied zwischen Grund- und Realschule. Ich erreichte am Ende den Realschulabschluss.
Es war ja meistens üblich nach den Jungpionieren in die FDJ überzugehen. Warst du dort auch Mitglied?
Ab der 8. Klasse erhielt man seine Jugendweihe und wurde auch gleichzeitig in die Gruppe der Freien Deutschen Jugend „FDJ“ aufgenommen. Ab diesem Jahrgang erhielten wir auch die Ausbildung in der GST (Gesellschaft, Sport & Technik) und mussten an vielen Politforen teilnehmen.
Entsprachen die politischen Ansichten der FDJ auch den deinen?
Ich persönlich war zwar in dieser Organisation, aber politisch engagiert und interessiert war ich überhaupt nicht. Damals habe ich mir noch wenig Gedanken über Politik gemacht und ich empfand meine Mitgliedschaft als normal.
Wie sah dein Weg nach der Schule aus?
Ich habe 1979 eine Ausbildung als EDV-Operator bei „Warentäglicher Bedarf“ (WtB) begonnen. Dort war ich dann nach meinem Abschluss der Ausbildung (1981) als Operator tätig. Ich bekam eine Ausbildungsvergütung zwischen 500 und 600 Ostmark, da dieser Berufszweig eine höhere Einstufung als alle anderen hatte.
Dann wechselte ich Anfang 1982 zum „Export/Import“ und war dort auch als Operator im Dreischichtsystem tätig. Diese Firma war staatlich und verbunden mit dem damaligen Staatsrat der DDR, da wir für diesen sämtliche Auswertungen in Sachen Export und Import EDV-technisch bearbeitet haben. Wir arbeiteten mit dem neuesten EDV-Standard und waren deshalb alle zum Stillschweigen verpflichtet. Mein Einkommen dort lag dementsprechend auch höher und ich bekam zwischen 1300 und 1400 Ostmark. Die Arbeit und das Stillschweigen waren aber nicht gleichzustellen mit der Staatssicherheit, denn es ging dort nur um Auswertungen der betrieblichen Güter des Landes und um Einnahmen und die jeweiligen Ausgaben von Devisen.
Durch meine sportlichen Aktivitäten und freundschaftlichen Kontakte zu Sportgruppen aus Berlin-West lernte ich meinen späteren Verlobten kennen, der in Berlin-West lebte, und wollte diesen heiraten. Dafür war es notwendig einen Antrag auf Eheschließung mit dem Wunsch auf eine Familienzusammenführung und den gemeinsamen Aufenthaltsort in Berlin-West zu stellen. Dieser wurde aufgrund der Tatsache, dass mein Vater bei der Polizei arbeitete, abgelehnt. Um dennoch mein Ziel zu erreichen, stellte ich einen Ausreiseantrag, der mehrere Schikanen mit sich brachte und mir das Leben in der DDR mit meinem Kind schwer machte. Hierzu gehörten ständige Überwachung der Haustür, ein monatlicher Verhörtermin bei der Staatssicherheit, die Abnahme meines Personalausweises, den ich benötigte, um an Geld zu kommen, die Kündigung meines Arbeitsverhältnisses bei der Firma „Export/Import“, die Beendigung meiner sportlichen Laufbahn und die Schikane im Kindergarten meines Sohnes. Des weiteren gab es auch viele Gespräche mit den Kollegen meines Vaters, die mich alle darauf hinwiesen, was ich doch für eine schlechte Tochter sei und dass ich die Karriere meines Vaters aufs Spiel setzen würde.
Um seinen Job zu behalten, musste mein Vater ein Dokument unterschreiben, dass er aufgrund meines Ausreiseantrages von jetzt an keine Tochter mehr habe und jeglicher Kontakt verboten sei.
Wurde dein Antrag bewilligt?
Ja, aber ich musste drei Jahre warten, bis meine Ausreise nach Berlin-West genehmigt und ich aus der Staatsbürgerschaft der DDR endlich entlassen wurde.
Wie war die Zeit zwischen Antragsstellung und Bewilligung?
Ich habe in dieser Zeit viele Maßnahmen ergriffen, mich von Freunden getrennt, Koffer gepackt und schon die halbe Wohnung aufgelöst, um für den Tag der Ausreise vorbereitet zu sein. Die Ungewissheit, wann es soweit ist, war immer da; denn dies wurde durch ein Telegramm von einem Tag zum anderen mitgeteilt.
Wann hast du von der Bewilligung erfahren?
Ich erfuhr am Morgen per Telegramm die Genehmigung meiner Ausreise und musste mich sofort bei der Staatssicherheit melden. Ich musste 100 Ostmark für meine Entlassung aus der Staatsbürgerschaft bezahlen und erhielt den Hinweis, dass ich das Gebiet der DDR noch am selben Tag bis 0 Uhr verlassen haben müsste.
Wie fand die Ausreise statt?
Ein Freund brachte mich und deinen Bruder zum Grenzübergang-Baumschulenweg und dort begab ich mich zum Zoll der DDR, der alle meine Koffer kontrollierte und diese an den West-Zoll weitergab. Auf der anderen Seite erwartete mich dann mein damaliger Verlobter.
Wie war das Gefühl die DDR verlassen zu haben?
Ich war überglücklich, zufrieden und froh, leben zu können, reisen zu können und Spaß zu haben und all die Dinge zu erleben, ohne dass jemand darauf achtete, was und wie ich etwas sagte. Ich konnte jetzt endlich meinem Sohn die Freiheit schenken, die ich nie hatte.
War es für dich die richtige Entscheidung?
Diese Entscheidung würde ich immer wieder fällen, denn sie hat mir Glück, Freiheit und Zufriedenheit beschert.
Jeder Tag wurde mit einem markigen Spruch begonnen, wie zum Beispiel „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“ Dieser Spruch wurde von unserer Führerin vorgesprochen, den wir dann nachsprechen mussten. Pflicht war in diesen Lagern immer an vorderster Stelle. „Wir sind nicht auf der Welt, um glücklich zu sein, sondern um unsere Pflicht zu tun!“ Dies wurde uns immer vorgesagt.
Im Oktober 1923 hatten rund 25 Milliarden Mark einen US Dollar ausgemacht. Im November 1923 – und damit nach nur einem einzigen weiteren Monat – waren 4,2 Billionen Mark der Gegenwert für einen US Dollar. Diese Zahlen zeigen überdeutlich, was Inflation bedeuten kann.
Von Thüringen nach Schleswig-Holstein. Vom Fahnenschmied zum Rohrmeister. Ein Lebensweg, geprägt durch die Arbeit mit Wasser, belegt durch Dokumente von beeindruckender Einfachheit. Eine Zeitreise von 1881 bis 1954.
Wir trauern um die Redaktionsmitglieder, die uns für immer verlassen haben.
Unsere Ziele sind relativ schnell formuliert. Wir wollen einen Beitrag zu lebendiger Erinnerungskultur leisten, indem wir individuelle Geschichten und Erfahrungen einer breiten Masse zugänglich machen. Ebenso fördern wir mit unserem Projekt auf unterschiedlichen Ebenen den Austausch zwischen verschiedenen Generationen, die viel voneinander lernen können