Interview vom 12. Juli 2015 geführt von Yasmina Friese
Als etwa 1940 die Bombenangriffe anfingen, haben wir eine Familie bei uns zuhause aufgenommen, denn sie hatten bei einem dieser Angriffe alles verloren. Vier Wochen lebten sie bei uns, der Arbeitskollege meines Vaters, seine Frau und deren Kinder. Zu Beginn war alles noch ganz spannend und einfach – sie waren freundlich und dankbar – aber mit der Zeit wurde alles immer unerträglicher. Das Haus war zu eng und wir waren stets gereizt, mein Vater ging dann zum Amt und die Familie bekam ein neues zu Hause.
Wir haben zwar außerhalb von Hamburg gelebt, hatten aber natürlich auch einen eigenen Bunker. Dieser war im Hof und wenn der Fliegeralarm losging, mussten wir alle, meine Mutter, mein Vater, meine sieben Geschwister und ich, in den Bunker. Das war ein Aufwand! Die Babys mussten in den Kinderwagen und dann die Treppe runter, das war gar nicht so einfach. Meine Schwester Elfriede ist meistens bei uns zu Hause im Bett geblieben, sie hat sich gedrückt und ist nicht mit in den Bunker gekommen. Meine Eltern haben das akzeptiert, denn entweder werden sie die Bomben auf das Haus oder auf den Bunker werfen. Wenn der Fliegeralarm los ging, war schon alles vorbereitet, die Koffer waren immer gepackt und die Kinderwagen standen schon bereit. Es war grauenhaft.
Eines Tages, als ich bei meiner Arbeit als Haushaltshilfe war, ging der Fliegeralarm los. Natürlich wollte die Familie bei der ich war, dass ich mit ihnen in den Bunker gehe. Doch ich weigerte mich, da meine Mutter schwanger war und das Baby jeden Tag auf die Welt kommen konnte. Also lief ich nach Hause, durch den Bombenangriff. Ich rannte und rannte, so schnell ich konnte, und hatte furchtbare Angst. Ich konnte alles sehen: Wie die Bomben vom Himmel fielen und in die Häuser einschlugen. Ich konnte die Explosionen sehen und den ganzen Rauch, der zum Himmel stieg. Ich hatte richtig Angst und bin eine dreiviertel Stunde lang um mein Leben gerannt.
Als ich zu Hause ankam gab es Entwarnung, ein langer hoher Ton. Fliegeralarm klang anders, etwa so wie die Feuerwehr heute, aber in der ganzen Aufregung kam das Baby viel zu früh. Mein Vater sagte damals, dass die Kleine nicht alt werden würde. Sie war ganz bläulich bei der Geburt und sie hätte einen Brutkasten gebraucht, aber es stand keiner zur Verfügung. Die Arzthelferin hat das Baby an sich genommen, sie dachte sie könnte es groß kriegen, ihm über die schlimmste Zeit hinweghelfen. Immerhin hatte sie das gelernt, aber sie hat es nicht geschafft. Meine Schwester starb im Alter von einem Monat.
Die Pionierleistungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Freien Angestelltenbundes und des Bauhüttenverbandes Nord, menschenwürdigen und ausreichenden Wohnraum zu schaffen, reichen bis in unsere heutige Zeit hinein. Und für “Otto Normalverbraucher” ist es immer noch erstrebenswert, eine preisgünstige und nicht dem Gewinnstreben unterliegende Wohnung in einer Genossenschaft zu mieten.
Der zweite Weltkrieg war eines der blutigsten und zerstörerischsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte. Es gibt nur noch wenige Menschen, die erlebt haben, dass die Welt in Flammen stand, eine Welt ohne Hoffnung auf Glück, Liebe und Freiheit. Es war eine Welt, die nicht lebenswert war. Aber was passiert, wenn einem keiner mehr vor Augen führt, was der Mensch alles ertragen musste und dass es trotzdem möglich ist, wieder glücklich zu werden und wieder aufzustehen …
Ein komplett neues Leben anzufangen, kann eine große Herausforderung sein. Lionel S., ein nach Deutschland eingewanderter Brite, erzählt von Gefühlen und Eindrücken aus seinem neuen Heimatland. Das Gespräch streift Themen wie Integration, Rassismus, kulturelle Unterschiede und die politische Situation im Jahr 2015.
Wir trauern um die Redaktionsmitglieder, die uns für immer verlassen haben.
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