Herr Meinke wurde 1912 in Bergedorf geboren, zwei Jahre vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges. Auf die Frage nach seinen ersten Kindheitserinnerungen antwortet er spontan: “Wenn ich Hunger hatte, und ein Stück Brot haben wollte, bekam ich eine Scheibe Steckrüben in die Hand gedrückt. Da war ich ungefähr 5 oder 6 Jahre alt.” Dabei kommen ihm die Tränen, wenn er daran denkt. “Uns ging es sehr schlecht. Wir waren wirklich bettelarm. Wir hatten nichts. Das wünsche ich keinem Menschen. Zudem waren meine Eltern geschieden, ich lebte bei meinem Vater, aber ein richtiges Zuhause hatte ich nicht. Dass ich nicht abrutschte wie viele andere, das wundert mich noch heute.”
“1918 wurde ich am Brink eingeschult. Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie wir wöchentlich einen Becher Quaker-Suppe erhielten, gespendet als Schulspeisung von den Amerikanern. Das war meistens Haferflockensuppe. Jedenfalls auf diesen Tag haben wir Kinder uns immer gefreut.”
Er wohnte mit seinem Vater am Möörkenweg. In den nahegelegenen Villen betreute der Vater die Heizungen, zum Beispiel bei der Familie Bibler, die damals das erste Warenhaus in Bergedorf führte. Heute steht an der Stelle im Sachsentor Karstadt. Aber auch Herr Meinke musste sich als Schulkind sein Brot verdienen. Er trug jeden Tag Zeitungen aus und half der Nachbarin Frau Krüger bei der Gartenarbeit. Dafür bekam er ein warmes Mittagessen. An diese Frau knüpfen sich für ihn nur gute Erinnerungen: “Wenn diese Frau nicht gewesen wäre, ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre. Mein Vater hat nicht wieder geheiratet, das ging damals nicht so einfach.” Schlimm war auch die Inflationszeit: “Wenn ich damals etwas Geld bekam, hatte ich einen ganzen Zigarrenkasten voller Papierscheine. Man hätte denken können, reich zu sein, aber damit war es nichts. Ich musste immer zusehen, dass ich ein bisschen was zu essen dafür bekam.” Er meint, dass es damals nur Reiche oder Arme gegeben hätte.
Nach der Schule fing Herr Meinke eine Lehre als Autoschlosser an, aber nach der bestandenen Prüfung war er arbeitslos und musste im Sachsentor stempeln gehen. Dort bekam er ein paar Mark Arbeitslosenunterstützung. “Das hab’ ich nicht lange mitgemacht. Ich hab’ dann zugesehen, wie ich weiterkam.” Durch seine Lehre hatte er die Gelegenheit gehabt, ganz früh Auto fahren zu lernen. “Es muss so 1931/32 gewesen sein, dass ich als einer der ersten in Bergedorf ein Taxi fuhr, als unten am Bahnhof noch Pferdedroschken standen.” Als er kurz darauf von der Firma Eisenschütt eingestellt wurde, fuhr er dort tagsüber einen Lastwagen und abends Taxi. Eisenschütt befand sich übrigens etwa dort, wo gegenüber von der Chrysander-Schule heute die Bergedorfer Schlossstraße beginnt.
Kurz vor der Machtübernahme durch Hitler hatte sein Vater Arbeit in der Stuhlrohrfabrik gefunden. 30 Jahre bis zu seinem Tod hatte er dort gearbeitet.
Auf die Frage nach der Politik gibt er zur Antwort: “Wie mein Vater war ich neutral. Über Hindenburg und Ebert haben wir gut gedacht, aber der Vater fand es unter dem Kaiser viel besser. Die Braunen haben wir zwar auch in Bergedorf gesehen, aber ich war sehr skeptisch. Ich bin auch nicht in die Partei eingetreten, so wahr ich hier sitze.”
Herr Meinke war sehr fleißig, sparte jeden Pfennig, der möglich war. 1937 heiratete er und wenig später hatte er 5000 Reichsmark zusammen, so dass er sich mit seiner Frau ein fast verfallenes Haus an der Wentorfer Straße kaufen konnte. Sie renovierten es und bauten darin ein Obstgeschäft auf.
Vor dem ersten Weltkrieg gab es im Deutschen Reich eine konstituierende Monarchie, deren Oberhaupt bis 1918 Kaiser Wilhelm II. war.
“Ein Reich, ein Volk, ein Gott!”
Es existierte kein Grundrechtekatalog, d.h. die Rechte des Volkes waren sehr eingeschränkt.
Während des überlangen Krieges wurde die Deutsche Armee und Marine durch die ungeheuren Materialschlachten stark geschwächt. Niemand hat mit einem so langen Krieg gerechnet. Da es vor 1914 nur Schlachten gab, in denen sich zwei Armeen auf einem Feld trafen und kämpften. Der Stellungskrieg war also was ganz Neues und so dauerte der Krieg vier Jahre statt höchstens ein Jahr.
Ende September 1918 musste die Oberste Heeresleitung der politischen Führung gegenüber eingestehen, dass der Krieg, der Deutschland die Vorherrschaft in Europa bringen sollte, verloren war und dass nur ein umgehendes Ende der Kampfhandlungen den völligen militärischen Zusammenbruch verhindern konnte.
Anfang Oktober 1919 bildete der neue Reichskanzler Prinz Max von Baden sein Kabinett in enger Bindung an die Mehrheitsparteien des Reichstages
Wilhelm der II. und die militärische Führung waren allerdings keinesfalls bereit, sich der neuen parlamentarisch getragenen Reichsregierung unterzuordnen. So spitzte sich binnen weniger Tage die innere Krisensituation dramatisch zu. Ausgehend von den Seehäfen, in denen die Matrosen der Kriegsflotte zu meutern begannen, breitete sich die revolutionäre Bewegung über ganz Deutschland aus. In vielen Städten übernahmen spontan gebildete Arbeiter- und Soldatenräte die politische und militärische Gewalt. Der Ruf nach Abdankung des Kaisers wurde immer lauter.
Am 9. November 1918 erreichte die revolutionäre Welle Berlin. Reichskanzler Max von Baden setzte die Abdankung Wilhelm II. durch und übergab sein Amt an den Sozialdemokraten Friedrich Ebert
Der Kaiser ging ins Exil in die Niederlande. Schloss Doorn wurde sein neuer Wohnsitz.
Am 9. November 1918 rief Eberts Parteifreund Philipp Scheidemann die ” Deutsche Republik” aus.
Der Führer des Spartakusbundes, Karl Liebknecht, proklamierte wenig später vor dem Schloss die” freie sozialistische Republik. Damit begann die Auseinandersetzung um die innere Gestalt der neuen Republik.”
Unruhen, Aufstände, Straßenkämpfe und organisierte Morde waren an der Tagesordnung . Dabei kamen viele Menschen um. Die bekanntesten Opfer waren Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Matthias Erzberger und Walter Rathenau.
Aus den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919, an denen auch erstmals Frauen teilnahmen, gingen die Sozialdemokraten als stärkste Partei hervor, erreichten aber nicht die absolute Mehrheit. Sie waren in der wegen der Unruhen in Berlin nach Weimar einberufenen verfassungsgebenden Versammlung auf die Zusammenarbeit mit den bürgerlich-demokratischen Parteien angewiesen. Zusammen mit dem Zentrum und der Deutschen Demokratischen Partei bildete die SPD die sogenannte Weimarer Koalition, die sich auf eine Dreiviertelmehrheit in der Nationalversammlung stützen konnte. Friedrich Ebert wurde erster Präsident der neuen Republik. Deshalb hieß es Weimarer Republik.
Friedrich Ebert(SPD)
Wurde nach der Wahl 1919 zum Reichskanzler.
Philipp Scheidemann(SPD)
Wichtiger Partei-Visionär.
Matthias Erzberger(Zentrum)
Unterzeichnete den Waffenstillstand (Kapitulation).
Karl Liebknecht (KPD)
Vertrat die Meinung, einen Rätestaat nach russischem Vorbild zu bilden.
Rosa Luxemburg (KPD)
War wie Karl Liebknecht für den Rätestaat, d.h. es entscheidet ein Parlament und nicht das Volk. Beide wurden von rechten Militanten am 15. Januar 1919 ermordet.
In dem Interview berichtet meine Oma Edith Kruse, über ihre Kindheit ohne ein festes Zuhause, weit ab von ihrer Familie. Über schreckliche Erlebnisse, wie Bombenangriffe sowie den Verlust von geliebten Menschen. Stets auf der Flucht, ohne zu wissen, was morgen passiert. Nach langer Zeit nach Hause kommen und nichts ist mehr wie es einmal war.
“Erst 1943 war für mich richtig Krieg. Ich kam dann nach Bayern, durch die Kinderlandverschickung. In Bayern war es ruhiger, es gab kaum Fliegeralarm. Wir waren in der Oberpfalz. Süddeutschland wurde weniger berührt, Hamburg war gefährdeter.”
Bilder, die man am liebsten vergessen und Ereignisse, die am liebsten verdrängen würde. Obwohl es schon 72 Jahre her ist, sind die Erinnerungen immer noch so präsent als wäre es erst gestern gewesen. Eine Kindheit die aus Flucht, Angst, Bomben, Gewalt und unzähligen Toten besteht. Doch was sind die prägenden Ereignisse, die man, wie damals durch Kinderaugen, auch noch nach so vielen Jahren vor sich sieht?
Wir trauern um die Redaktionsmitglieder, die uns für immer verlassen haben.
Unsere Ziele sind relativ schnell formuliert. Wir wollen einen Beitrag zu lebendiger Erinnerungskultur leisten, indem wir individuelle Geschichten und Erfahrungen einer breiten Masse zugänglich machen. Ebenso fördern wir mit unserem Projekt auf unterschiedlichen Ebenen den Austausch zwischen verschiedenen Generationen, die viel voneinander lernen können