Erzählen Sie bitte Ihre Geschichte!
Ich bin im Herbst 1940 zur Marine gegangen, habe vorher eine Berufsausbildung im Braunkohlegebiet abgeschlossen, bis da gab es nichts Anderes in meiner Gegend, ich habe da als Handwerker gearbeitet, weil ich als Betriebsschlosser ausgebildet worden bin. Naja im Jahre 1940 bin ich in den Krieg gezogen und bin im September 1945 entlassen worden. Keine Gefangenschaft – ich war bis zum letzten Moment Soldat. Ich bin der letzte Überlebende von einer Großfamilie mit acht Kindern. Als Funkoffizier bin ich zur Kriegsmarine gefahren. Als B-Dienst Funker habe ich den englischen, amerikanischen, russischen, schwedischen und internationalen Verkehr abgehört. Aufgrund meiner Ausbildung konnte ich den jeweiligen Funk von U-Booten, Flugzeugen und Kriegsschiffen abhören und, falls wir gesichtet worden sind, es der Schiffsführung unverschlüsselt weiter geben z.B., dass wir von Flugzeugen angegriffen wurden. Das habe ich bis Kriegsende gemacht.
Sie kamen mit 17 Jahren zur Marine. Wie haben Sie den Aufstieg der NSDAP wahr genommen?
Ich war Soldat und hatte mit dem Ganzen nichts am Hut gehabt, entweder man war Soldat oder man war ein Parteimann. Beides unter einen Hut, das gibt es nicht. Ich bin freiwillig zur Marine gegangen, das war nicht nur mein Beruf das war meine Berufung. Ich war mit Leib und Seele Soldat. Und das, was die gemachthaben (Hitlers Politik), darüber haben wir uns, wenn’s möglich war, amüsiert. Wir haben Krieg geführt, wir wollten den Krieg gewinnen, nicht, weil der Hitler der Führer war oder wer auch immer das unbedingt wollte, wir sind in den Krieg gezogen, um ihn zu gewinnen.
Wieso haben Sie nicht tiefer über die Politik Hitlers nachgedacht?
Wenn man Soldat ist und im Krieg ist, da sieht man zu, dass man heil raus kommt, dann kann man sich nicht darum kümmern, selbst nicht um KZ. Wir wussten zwar, dass es KZ gibt, aber, was das ist, das wussten wir nicht oder geschweige denn, was sich dort abspielt hat. Erzählt wurde das alles auch nicht. Erst später, nach der Kapitulation wurde uns von den Engländern gezeigt, was sich überhaupt dort abgespielt hat, da waren wir natürlich selber geschockt, was da im Namen Deutschlands gemacht wurden ist. Heute sagt man ja, niemand hat Schuld? Aber wir hatten tatsächlich keine Ahnung davon. Wir jedenfalls nicht, klar als 17-22 jähriger da hat man andere Gedanken im Kopf, als sich diesen voll und schwer mit KZ und Judenverfolgung zu machen. Klar die ganze Juden – Angelegenheit habe ich ja hautnah miterlebt, aber das ist nie so tief gegangen. Man hat es gehört, aber man hat es so stehen lassen, es ging einen nichts an. Wir haben gedacht, lass sie doch machen, das ist deren Sache und später war meine Sache Krieg.
Wie haben Sie als 16 Jähriger wahrgenommen, dass Deutschland wieder in den Krieg zieht?
Ja gut, wir waren begeistert.
Alle Deutschen?
Unsere Generation war begeistert, wir dachten „ja ‚nu‘ er (Hitler) hat ihn ausgelöst“, aber Schuld daran ist er auch nicht gewesen. Der Krieg ist das letzte Mittel, um Probleme zu lösen nicht das Beste. Damals haben wir genauso Heil Hitler geschrien (hob für einen Moment die rechte Hand) und gejubelt und gejohlt wie alle anderen auch, es war was Anderes; das ganze Leben war so hin gemuddelt, es war Spannung da. Aber man darf dabei nicht vergessen, wir hatten vorher fast sieben Millionen Arbeitslose, unsere Wirtschaft war am Boden. Als 12 Jähriger, das habe ich noch haargenau im Auge, habe ich die jungen arbeitsfähigen Männer gesehen, die auf der Straße standen, keine Arbeit und kein Einkommen, nix. Ich weiß noch genau, wie wir Kinder mit leeren Magen ins Bett gegangen sind, es gab nichts, es war nichts da. Mit dem, was wir so hatten z.B. diese Lebensmittelkarten, damit mussten wir auskommen. Dadurch bekam ich später auch einen Beruf in der Braunkohleindustrie. Die ganze Welt war gegen uns und da haben wir gedacht, „jetzt müssen wir denen mal zeigen, wie es lang geht“. Als ich zur Schule ging, wurde uns beigebracht, Deutschland war am ersten Weltkrieg schuld, quasi die Erbsünde, da konnten wir sagen, was wir wollen, aber wir waren an allem schuld.
Wie fanden Sie es auf `Ihrem`Kriegsschiff “Prinz Eugen“ und gab es auch Angriffe auf Sie?Wir haben an Bord gewohnt, gelebt und das war unser Zuhause. Ja natürlich unzählige Male haben wir angegriffen und wurden von Flugzeug und U-Boot angegriffen, wir waren aber gut geschmückt selbst auf dem Rückweg, als wir einmal mehrere Salven hinten abbekommen haben, konnten wir 28 Flugzeuge abschießen. Daraufhin sind wir dann von Norwegen nach Kiel gefahren. Haben dann ein neues Hinterteil gekriegt. Dann haben wir im September 1945 sogar einen Zusammenstoß gehabt, dadurch ist das Bug beschädigt worden, haben deshalb zwei Wochen ausgesetzt. Und die Engländer haben auch unseren Funkabgehört und wussten, dass wir nur ein Schiff notdürftig repariert hatten. Und meine Gruppe, bestehend aus sieben Offizieren, haben dann die Engländer abgehört, was die als nächstes planen. Ja, das ging dann so hin und her, bis man sich sah und es zu einem Gefecht kam. Und genau das war unsere Aufgabe vom B-Dienst, dass wir genau Bescheid wussten und es weitergaben.
Hatten Sie bei so vielen Angriffen dabei Todesangst?
Ich kann mich nicht daran erinnern auf diesem Schiff Todesangst gehabt zu haben. Uns wurde von vorne rein gesagt, „wir sind ein glückhaftes Schiff“ und das hat sich bis zum Schluss bewahrheitet. Klar, wir haben natürlich Torpedo – Treffer und Bomben – Treffer bekommen, einmal 40 Tote, einmal 60 Tote, dann mal mehr und weniger, aber es hat immer Opfer gegeben und ich hatte halt immer Glück, dass ich bei denen gewesen bin, die nicht so viel abbekommen haben, während der ganzen fünf Jahren. Aber wie gesagt: der eine ist mit 24 ‚bums‘, Schuss – weg war er, oder auch mit 29 im Erdloch ‚bums‘ Schuss – weg war er.
Also bei der Marine war es so, das Schiff kriegt ein verpasst das es absoff oder man kam halt durch und ich war bei den letzteren.
Sie sagten, dass Deutschland sich wohl auf den Krieg, wie Sie erwähnten, freute, was kam Ihnen in den Kopf, als Sie erfahren haben, dass Deutschland den Krieg verliert oder, dass Sie erkannten, dass Sie nicht mehr gewinnen konnten?
Ja, wir hatten schon eine Ahnung, da ist das so durchgesickert, so nach und nach … also, wir hatten so nach und nach auch die Hoffnung auf einen Endsieg komplett verloren, obwohl uns die Propaganda Göbels, uns zum Beispiel, bis zum Schluss weiß machen wollte, „wir gewinnen den Krieg“ auch da haben wir gedacht, du ‚schnapp‘ mal du, es war ja ersichtlich ein zwei Frontenkrieg. Aus dem Osten kamen die Russen Richtung Elbe, aus dem Westen kamen ja die Amerikaner mit den Engländern, Franzosen, Kanadiern und wir hatten die ganze Welt am Hals. Ich weiß nicht, wie viel, aber über 20 Nationen haben Deutschland den Krieg erklärt. `Viele Hunde sind des Hasen Tod‘ – ein altes deutsches Sprichwort bei uns hieß es `viel Feind, viel Ehr‘, ja wir waren die Enthusiasten (im Gelächter), egal, wie viele es sind, `ja her damit, wir hauen ihnen auf die Nuss`. Wir waren ein bisschen überschwänglich, das muss ich schon sagen, vielleicht ein bisschen großkotzig obendrein. Zwei Nationen innerhalb eines Monates runter geknüppelt, da wird man ja natürlich übermutig, aber da kam, wie immer mehr, dazu. Ja irgendwann gab es keine anderen mehr. Die Italiener, auf die konnten wir uns sowieso nicht verlassen, die sind sowieso schon weg, wie im ersten Weltkrieg auch, wenn’s brenzlig wurde, sind die abgehauen und die Japaner hatten sowieso genügend mit sich zu tun – ergo standen wir Mutter- Seelen – allein da. Naja, wir waren dann eigentlich auch froh, wie es zu Ende ging, wo wir uns dann gesagt haben, Gott sei Dank, dass der Scheiß zu Ende ist. Mit den nächtlichen Fliegeralarm … und so weiter, also man hatte kaum noch Ruhe zum Schlafen und fand kaum eine Ecke, wo man sich tatsächlich ausruhen konnte, wo soll der Mann hinkriechen, um mal kräftig auszuschlafen? ….an schlafen war nicht zu denken.
Wie war die Nachkriegszeit für Sie und was für einen Beitrag haben Sie geleistet, um Deutschland wieder aufzubauen?
Ich bin von Natur aus Realist, ich passe mich sofort der Situation an, ich saß nicht in einer Ecke und jammerte nicht den netten und schönen Zeiten nach, sondern ich gucke, wo es lang geht und packe die erst die beste Gelegenheit und steige direkt voll ein. Mit anderen Worten, man muss immer „ab to day“ sein, immer da sein, mit hell wachen Sinnen. Im Jahre 1956, bin ich wieder zur Bundesmarine und habe da meinen Beitrag zum Aufbau der Bundesrepublik Deutschland geleistet und das war anfangs nicht leicht, das können Sie mir glauben. Es waren alle gegen die Bundeswehr und ich bin trotz alldem von Kiel nach Hause, nach Mainz, in Uniform gefahren. Ich habe mir einen Dreck draus gemacht, was die Leute denken, ich habe denen gesagt: ‘‘Ich stelle mein Leben meine Kraft der BRD zur Verfügung, in dem ich mich für alles diesem Land zur Verfügung stelle‘‘ ja ich war bin Patriot. Politisch habe ich mich nie beteiligt, das ist nicht meine Welt, dafür bin ich zu ehrlich, als Politiker muss man ein geborener Lügner sein und dafür bin tatsächlich für die Politik viel zu ehrlich. Ich sage, was ich denke und ich stehe dafür ein.
Was würden Sie der Jugend heutzutage empfehlen? Wie sollte Sie reagieren,falls so eine Situation wieder auftreten sollte?
Augen und Ohren offen halten! Vor allem das Einflüstern von allen Seiten im Auge behalten, was ja auch Heute gang und gebe, ist zum Beispiel durch die Internet Seiten. Ich kann nur jedem empfehlen, bleibt Mensch und versuche tolerant, zu sein! Nicht anderen die eigene Meinung aufoktroyieren, sondern die Meinung der anderen anhören und daraus beides, das Positive und Negative rausfiltern, das Positive verarbeiten und das Negative sofort anprangern. Ich kann nur immer wieder sagen, beobachten, Augen und Ohren offen halten.
Es hört sich so leicht an, wann merkt man denn, wann es eine Einflüsterung ist?
Das ist äußert schwierig, man sagte nicht ohne Grund, dass das Erlebte und die Weisheit mit dem Alter kommt … so ist es tatsächlich auch, man kann es nur als Wahres hinnehmen, was man selbst miterlebt hat. Erleben lernen kann man nicht, man muss es erleben, dieses erzähle ich auch meinen Enkel und Ur-Enkel Kindern, ob es fruchtet oder nicht, das weiß ich nicht, ich hoffe es aber.
Von Thüringen nach Schleswig-Holstein. Vom Fahnenschmied zum Rohrmeister. Ein Lebensweg, geprägt durch die Arbeit mit Wasser, belegt durch Dokumente von beeindruckender Einfachheit. Eine Zeitreise von 1881 bis 1954.
„Es wurde noch schlimmer, als einen Monat später meine Mutter starb.“
Als wäre es nicht schon schlimm genug, begann 1939 auch noch der 2. Weltkrieg.
Die Geschichte eines Mädchens, welches trotz eines schweren Schicksalsschlages sein Leben nach 1939 meisterte.
Viele Menschen im Osten wollten aber lieber im Westen leben, angelockt von Demokratie, Freiheit oder auch dem größeren Lebensstandard (…).
Mauer, Schießanlagen, Minen, Sperrgebiete konnten nur noch von wenigen überwunden werden und legale Ausreisen gab es kaum …
Wir trauern um die Redaktionsmitglieder, die uns für immer verlassen haben.
Unsere Ziele sind relativ schnell formuliert. Wir wollen einen Beitrag zu lebendiger Erinnerungskultur leisten, indem wir individuelle Geschichten und Erfahrungen einer breiten Masse zugänglich machen. Ebenso fördern wir mit unserem Projekt auf unterschiedlichen Ebenen den Austausch zwischen verschiedenen Generationen, die viel voneinander lernen können