Meine Oma ist trotz vieler schlimmer Dinge, die sie erlebt hat, ein sehr lebensfroher Mensch. Eigentlich wollte sie über diese Dinge in dem folgenden Gespräch aber nicht reden.
Sie wurde 1940 in Lörrach, einer kleinen Stadt in Süddeutschland, geboren. An diese Zeit hat sie nicht mehr all zu viele Erinnerungen. Sie erinnerte sich jedoch noch an ein Erlebnis, als sie drei Jahre alt war. Ihre Mutter hat sie damals zusammen mit ihren zwei Brüdern, diese waren sechs und acht Jahre alt, vor einer Kirche in eine Art Gatter gestellt, weil sie kurz etwas erledigen musste. Ein Mann kam vorbei, guckte sich die drei Kinder an und riss eine goldene Kette von dem Hals meiner Großmutter. Das war für mich ein seltsamer Gedanke, dass die Not so groß gewesen sein sollte, dass jemand ein kleines Mädchen bestehlen musste.
Einige Zeit später wurde die Familie meiner Großmutter nach Bayreuth evakuiert. An diese Zeit hat sie jedoch überhaupt keine Erinnerungen mehr, diese kommen erst um das Jahr 1946 wieder, als sie zu ihrer Tante nach Schleswig-Holstein gezogen waren. Sie lebte nun zusammen mit ihren zwei Brüdern und ihrer Mutter auf einem großen Gutshof bei Plön, dieser hieß Gut Lehmkuhlen. Dort waren die drei Kinder größtenteils sich selbst überlassen, da ihre Mutter tagsüber auf den Feldern arbeiten musste. Meine Oma hat daran aber keine traurigen Erinnerungen, ganz im Gegenteil. Sie hat immer wieder betont, dass sie eine glückliche Kindheit hatte, da sie mit vielen anderen Kindern aufgewachsen und schon schnell selbstständig gewesen sei. Das Einzige, was nicht so schön war, war die Knappheit des Essens, wovon auch sie viel gemerkt hat. Ihre Mutter hat als Bezahlung zwei Liter Milch, Brot, Margarine und Zucker bekommen. Nach einiger Zeit gab es dann auch ein Ferkel, das die Familie selber großziehen musste, um es zu einem späteren Zeitpunkt für sich schlachten zu können. Nach der Kartoffelernte haben alle Kinder dann nochmal das Feld durchsucht und gehofft, übersehende Kartoffeln zu finden. Außerdem hat die Mutter meiner Großmutter den Kindern kleine Beutel genäht, mit denen die Kinder Getreide Ähren auf dem Weg zur Schule einsammeln konnte. Diese brachte die Mutter dann nach einiger Zeit zu der Mühle, um Mehl mahlen lassen zu können.
Das schönste an der Kindheit meiner Oma war die Schule, hier wurden alle von der ersten bis zur achten Klasse zusammen unterrichtet. Für mich ist das heute unvorstellbar. Meine Oma hat besonders begeistert von den Sommerfesten erzählt, die jährlich stattfanden. Jedes Jahr bekamen die Kinder extra neue Kleider für dieses Fest, dann wurden Spiele gespielt und jeder Jahrgang hat einen Gewinner und eine Gewinnerin gehabt, diese wurden dann König und Königin genannt. Meine Oma wurde einmal Königin und als sie davon erzählt hat, hat sie bis über beide Backen gestrahlt. Denn die Gewinner wurden auf einer Kutsche während eines Umzuges durch das komplette Dorf gefahren und haben kleine, aber auch größere Preise von Läden und Anwohnern bekommen. So gab es zum Beispiel Stoffe vom Schneider, Wurst von den Bauern und Bonbons aus einem kleinen Dorfladen – Dinge, für die viele der Kinder sonst kein Geld gehabt hätten.
Mit der Zeit machte das wenige Essen meiner Oma aber doch zu schaffen. Einige Kinder des Dorfes einschließlich meiner Oma wurden nach Schweden zu reichen Familien geschickt, um dort wieder zu Kräften zu kommen. Sie gelangte also 1948 zusammen mit drei anderen deutschen Mädchen in ein kleines Dorf namens Forshaga. Dort lebte sie für circa sieben Monate. Am Anfang hatte sie noch schlimmes Heimweh, jedoch gewöhnte sie sich schnell an das doch so andere Leben, das sie nun in Schweden führte. Sie lebte bei dem Besitzer eines Supermarktes, seiner Frau und deren gemeinsamen Sohn. Die Familie hat ihr jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Meine Oma hat ganz begeistert erzählt, dass es jeden Tag Obstsalat zum Frühstück gab und sie den ganzen Tag draußen im Freien spielen durfte. Sie sagte, es fühlte sich an wie Urlaub für die Seele, da sie sich keine Gedanken darüber machen musste, ob sie morgen genug zu essen bekommen würde. Als sie zurück nach Deutschland kam, hat ihre Mutter sie am Zug nicht einmal mehr erkannt, so verändert sah sie aus. Meine Großmutter hat immer und immer wieder betont, dass sie dankbar für all ihre Erfahrungen ist.
Vom Leben eines jungen Mädchens in einer nach außen hin intakten Familie, in der nach innen nur Befehl und Gehorsam galten und die Reitpeitsche Erziehungsmittel war. In der Schule herrschte Standesdünkel. Erst in der Nachbarsfamilie gab es die Geborgenheit, die in der eigenen nie zu erfahren war.
Ein komplett neues Leben anzufangen, kann eine große Herausforderung sein. Lionel S., ein nach Deutschland eingewanderter Brite, erzählt von Gefühlen und Eindrücken aus seinem neuen Heimatland. Das Gespräch streift Themen wie Integration, Rassismus, kulturelle Unterschiede und die politische Situation im Jahr 2015.
Ein Soldat beschreibt den Kriegsalltag: Wechsel der Feuerstellung im dichten Nebel, Folgen: Verleihung des Eisernen Kreuzes. Wochenlang ohne Nachrichten aus der Heimat … große Sehnsucht nach Frieden und Familie … Versöhnung über den Gräbern.
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