Interview mit Halima Giffing (*1953)
Mit meiner Nachbarin Halima Giffing, die aus Marokko stammt, habe ich ein Interview zum Thema Migration nach Deutschland geführt. Sie stammt aus einer kleinen Stadt am Atlantik namens Essaouira, die an der süd-östlichen Küste Marokkos, nahe Agadir liegt. In der Stadt lebten in ihrer Kindheit und Jugend viele Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen, die sich gegenseitig respektierten. Dadurch hat sie einen sehr offenen Umgang der Kulturen erlebt und gelebt. In dem bis 1956 französisch besetzten Land wurde interkulturelles Wissen vor allem durch die Sprachen vermittelt: Zuhause sprach sie Marokkanisch, in der Schule Hocharabisch und Französisch. Mit 19 Jahren verliebte sie sich „auf den ersten Blick“, wie sie sagt, in ihren heutigen Mann Matthias, den sie heiratete und für den sie in Deutschland blieb. Sie haben zwei Kinder, die in Deutschland aufwuchsen, und Halima fühlt sich heute hier ebenso heimisch wie in Marokko.
Halima, wie bist du nach Deutschland gekommen?
Durch Bekannte wurde ich ein paar Mal auf Reisen mit nach Europa genommen. Sie hatten ein Ferienhaus in Marokko und lebten dort 6 Monate im Jahr. Ich hatte die Gelegenheit, sie zu begleiten, wenn sie zurückkehrten (sie lebten in Neumünster und auf dem Weg dahin kamen wir auch durch viele andere europäische Länder). Und so kam ich unter anderem auch nach Deutschland, wo ich 1973 meinen Mann Matthias kennenlernte. Es war Liebe auf den ersten Blick; wir haben innerhalb von 3 Monaten geheiratet.
Gab es Probleme bei der Einreise nach Deutschland?
In der Zeit, in der ich durch Deutschland und Europa reiste, kam es 1972 zu den Anschlägen auf die israelische Olympiamannschaft in München. Da die palästinensischen Attentäter der Organisation „Schwarzer September“ einen islamischen Glaubenshintergrund hatten, kam es zu verschärften Auflagen für arabisch stämmige Ausländer. Die Visabedingungen wurden massiv verändert.
Wie sah es mit der Sprache aus? Konntest du schon Deutsch als du dich entschieden hast hier zu bleiben?
Ich konnte noch kein Deutsch damals, das habe ich erst später während der Schulausbildung und durch Matthias gelernt. Auch meine Kinder wurden auf Deutsch erzogen, weil sie ihren Lebensmittelpunkt hier gehabt haben, obwohl ich sagen muss, dass ich diese Entscheidung im Nachhinein bedauere, da es für sie sicher schön gewesen wäre, auch in einer anderen Sprache heimisch zu werden, wie ich selbst.
Fühlst du dich in Deutschland „angekommen“?
Da ich Deutschland als meine Heimat bezeichne, muss ich wohl angekommen sein.
Was ist für dich „Heimat“?
Das Land, in dem man lebt und in dem man sich wohlfühlt, ist die Heimat. Ich denke, dass man auch mehrere Länder als Heimat bezeichnen kann, weil diese Kriterien auf mehrere Länder zutreffen können. Ich werde meine Heimat immer in Deutschland und in Marokko haben.
Welche Unterschiede gibt es für dich in Bezug auf Schule und Beruf im Vergleich zu Marokko?
Meine Familie hatte zur damaligen Zeit kein Interesse daran, mir eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Das war für Mädchen in muslimischen Ländern früher auch nicht üblich. Die Mädchen sollten heiraten. Es war nicht ihre Aufgabe, für den Unterhalt der Familie aufzukommen. Die meisten Mädchen wurden irgendwann verheiratet und sorgten dann für die Erziehung der Kinder. Meine Mutter konnte zum Beispiel nicht lesen. Für mich kam so ein Leben nie infrage. Ich habe in Marokko zwar nur die Grundschule besucht, doch mir wurde in Deutschland die Möglichkeit gegeben, bis zum Fachabitur weiterzumachen. Auch eine berufliche Ausbildung wäre für mich in Marokko wahrscheinlich nicht möglich gewesen.
Gab es Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche und wie sahen diese ggf. aus?
Es gab in den siebziger Jahren keine Probleme, eine Anstellung zu finden, auch wenn man keine Vorkenntnisse hatte. Ich habe in verschiedenen Bereichen gearbeitet und keine negativen Erfahrungen gemacht. Meine „Berufung“ habe ich allerdings in der Kindererziehung gefunden. Ich habe mich früher häufig um meine jüngeren Geschwister gekümmert und daher habe ich diesen Zweig auch für mein berufliches Leben gewählt.
Welche Vor- und Nachteile hat das Leben in Deutschland?
Man hat hier sehr viel mehr Möglichkeiten sich weiterzubilden als damals in Marokko (Schule, Beruf). Die persönliche Freiheit ist hier nicht eingeschränkt. Durch die Arbeit konnte ich mir Wünsche erfüllen, von welchen ich in Marokko nicht einmal geträumt hätte.
Leider war in der ersten Zeit aber auch die Verbindung zur Familie abgerissen. Es gab viele Schwierigkeiten mit der Kommunikation. Ein Brief brauchte zum Beispiel drei Wochen von Deutschland aus. Wir haben stundenlang vor dem Telefon gesessen und eine Nummer in Marokko angerufen, denn Wahlwiederholung gab es nicht.
Welche Erwartungen hattest du an Deutschland und wurden diese erfüllt?
Ich persönlich hatte keinerlei Erwartungen oder Wünsche an Deutschland, da ich ja nicht geplant hatte, in Deutschland zu bleiben. Ich habe keine Vorstellung von Deutschland gehabt, deshalb hatte ich auch keine Ansichten, die ich hätte ändern sollen/können/müssen. Ich bin bei Null angefangen und habe mich auf die neue Umgebung und Gesellschaft eingelassen.
Hast du einen deutschen Pass und fühlst du dich damit als „Deutsche“?
Ich bin jetzt seit 1973 in Deutschland und ich besitze zwar einen deutschen Pass, kann aber nicht sagen, dass ich aus meiner Sicht eine „Deutsche“ bin. Ich bewege mich immer in zwei Welten, was für mich aber eine Bereicherung ist.
Hast du manchmal Heimweh?
Früher schon, aber jetzt nicht mehr. Ich mache mindestens zweimal im Jahr Urlaub bei meiner Familie in Marokko und habe auch von hier aus regelmäßig Kontakt z.B. über Skype. Auch durch meinen Freundeskreis, der unter anderem aus Marokkanern besteht, und durch sat-tv bin ich in der Lage, die Kultur meines Geburtslandes hier ebenso zu leben, wie die deutsche Kultur. Mir fehlt hier nichts.
Aus welchen Menschen besteht dein Freundeskreis?
Mein Freundeskreis ist Multikulti, Mischmasch oder wie man es sonst ausdrücken möchte. Neben meinen marokkanischen Freunden gibt es natürlich Menschen aus Deutschland, Vietnam, Polen, Russland, Indonesien, Libanon, Italien etc. Jeder kann hier seine Religion ausleben, es wird international gekocht. Wir feiern alle Feste, egal welcher Nationalität, alles ist für uns eine Bereicherung.
Wofür bist du dankbar in deinem Leben?
Ich bin dankbar dafür, eine eigene Familie zu haben und natürlich dafür, dass es uns gut geht.
Worauf kannst du nicht verzichten?
Auf die persönlichen Freiheiten, die ich in Deutschland genießen kann.
Denkst du über eine Rückkehr nach Marokko nach?
Ja, mein Mann und ich planen, ab 2015 den Rest unseres Lebens in Marokko zu verbringen. Dies haben wir schon vor langer Zeit beschlossen. Wir werden dort unsere Rente genießen, aber natürlich trotzdem weiter mit Deutschland verbunden sein, da unsere beiden Kinder hier leben und weiterhin leben werden.
Was sollten deine Kinder so machen wie du?
Da meine Kinder einer anderen Generation angehören und mit ganz anderen Voraussetzungen aufgewachsen sind, kann ich nicht sagen, was sie so machen sollten wie ich. Ich kann nur hoffen, dass wir ihnen eine Erziehung haben zuteilwerden lassen, mit der ihnen die ganze Welt offen steht.
Ein Soldat beschreibt den Kriegsalltag: Wechsel der Feuerstellung im dichten Nebel, Folgen: Verleihung des Eisernen Kreuzes. Wochenlang ohne Nachrichten aus der Heimat … große Sehnsucht nach Frieden und Familie … Versöhnung über den Gräbern.
Mit der Zeit begannen sie, nicht nur in ihren Familien zu rebellieren, sondern beteiligten sich auch an öffentlichen Demonstrationen, nicht zuletzt gegen Staatssanierungen und dergleichen …
Über ihre bewegende Fluchtgeschichte und die ihrer Familie aus ihrer Heimat Afghanistan während der 90er Jahre berichtet Frau S. ….
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